Rz. 337
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet, was als Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis, das der Vermächtnisnehmer angenommen hat, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. Der frühere Wortlaut stellte nicht auf die "Annahme", sondern auf das "Ablaufen der Ausschlagungsfrist" ab. Diese Anpassung hat ihren Grund darin, dass nach dem für das Erbschaftsteuerrecht maßgeblichen Zivilrecht für ein Vermächtnis keine Ausschlagungsfrist existiert. Durch die Änderung mit Wirkung ab dem 29.12.2020 wird klargestellt, dass die Abfindung für ein angenommenes Vermächtnis gewährt wird, das wegen der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden kann. Besteuert werden soll nach der Vorschrift die dem Vermächtnisnehmer gewährte Abfindung für den Verzicht auf das Vermächtnis vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses. Der Gesetzgeber wollte eine Besteuerungslücke schließen für den Fall, dass der Berechtigte eine Abfindung vor Bedingungseintritt oder vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Ereignisses erhält. Die Steuer entsteht mit dem Verzicht, es sei denn, die Leistung der Abfindung sei gleichfalls aufschiebend bedingt.
Rz. 338
§ 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ist auch auf den Fall anwendbar, dass der Nachvermächtnisnehmer gegen Abfindung auf das Nachvermächtnis verzichtet.
Rz. 339
Die Begriffe der Bedingung und der Befristung sind i.S. der §§ 4 bis 8 BewG zu verstehen, die ihrerseits auf der zivilrechtlichen Begrifflichkeit beruhen (Vor §§ 4–8 BewG Rz. 3). Der Begriff der Betagung (s. dazu § 9 ErbStG Rz. 57 f.) hat jedoch eine andere Bedeutung als im Zivilrecht. Auf Grund des Zusammenhangs, in dem er steht, kann davon ausgegangen werden, dass eine Betagung – gleich der Bedingung und der Befristung – Einfluss auf die Entstehung oder die volle Wirksamkeit eines Anspruchs nehmen soll. Der RFH hat deshalb entschieden, betagt sei ein Erwerb, der erst von einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ab Rechtswirkungen äußere. Wann dem so ist, kann der Entscheidung allerdings nicht entnommen werden. Der BFH hat den Erwerb einer Kapitalforderung als betagt angesehen, wenn der Zeitpunkt der Fälligkeit so unbestimmt ist, dass die Forderung rechnerisch nicht abgezinst werden kann. Das wiederum ist ein reines Praktikabilitätsargument, um eine nach § 162 AO an sich mögliche, wenn auch sehr ungewisse Schätzung, zu vermeiden.