Rz. 14
Neben dem obigen Urteil sind bereits mehrere Beschlüsse von verschiedenen Finanzgerichten zur möglichen Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden getroffen worden.
Rz. 14.1
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 1.9.2023 entschieden, dass bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Verwaltungsakts wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraussetzt, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt.
Rz. 14.2
In dem zugrunde liegenden Fall ging es um den Grundsteuerwertbescheid über eine im Bundesmodell bewertete Eigentumswohnung, die der Grundstücksart des Wohnungseigentums i.S.d. § 249 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 BewG zuzuordnen ist.
Rz. 14.3
Nach den Ausführungen des Finanzgerichts bestehe kein Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung eines auf den 1.1.2022 festgestellten Grundsteuerwertes, wenn zwar die Verfassungswidrigkeit der Berechnung des Grundsteuerwertes gerügt wird, jedoch nichts zur Frage vorgetragen wird, aus welchen Gründen ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen soll, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Grundsteuergesetzes zukommen soll.
Rz. 14.4
Das Finanzgericht hat im entschiedenen Fall ein besonderes berechtigtes Interesse der Antragstellerin nicht festgestellt und den Antrag deshalb abgewiesen. Letztendlich fehlte es an jeglichem Vortrag der Antragstellerin, aus dem sich ein Vorrang ihres Aussetzungsinteresses gegenüber dem öffentlichen Interesse hätte ergeben können. Zu der Frage, ob überhaupt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen grundsteuerlichen Bewertungsvorschriften bestehen, bedurfte es danach keiner Entscheidung des Finanzgerichts mehr. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Rz. 14.5
Zwei ganz andere Entscheidungen hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Beschlüssen vom 23.11.2023 getroffen. Das Finanzgericht hat dort entschieden, dass die Vollziehung der angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist.
Rz. 14.6
Beide Beschlüsse sind zu Objekten der Grundstücksart der Einfamilienhäuser i.S.d. § 249 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BewG ergangen, die als Wohngrundstücke im Ertragswertverfahren zu bewerten sind.
Rz. 14.7
Dem ersten Streitfall lag eine Grundsteuerwertfeststellung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 qm zugrunde. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei das Haus im Jahr 1880 errichtet, seit Jahrzehnten unrenoviert und noch mit einer Einfachverglasung der Fenster versehen. Daher sei der gesetzlich normierte Mietwert pro Quadratmeter überhöht. Der Bodenrichtwert für das 351 qm große Grundstück war durch den zuständigen Gutachterausschuss mit 125 EUR/qm ermittelt worden. Das Finanzamt wandte den gesetzlich normierten Mietwert an und stellte den Grundsteuerwert für die gesamte Immobilie zum Stichtag 1.1.2022 auf 91.600 EUR fest.
Rz. 14.8
Der zweite Streitfall betraf eine Grundsteuerwertfeststellung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 178 qm, das im Jahr 1977 bezugsfertig errichtet wurde. Der Bodenrichtwert für das 1.053 qm große Grundstück war durch den zuständigen Gutachterausschuss mit 300 EUR/qm ermittelt worden. Nach dem Vortrag der Antragsteller könne dieser Bodenwert jedoch nur mit einem Abschlag von 30 % angewandt werden, weil ihr Grundstück aufgrund einer Bebauung in zweiter Reihe, der Grundstückserschließung nur durch einen Privatweg und wegen einer besonderen Hanglage nur eingeschränkt nutzbar sei. Das Finanzamt berücksichtigte den Bodenrichtwert gleichwohl ohne Abschlag und stellte den Grundsteuerwert für die gesamte Immobilie zum Stichtag 1.1.2022 auf 318.800 EUR fest.
Rz. 14.9
Nach summarischer Prüfung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz bestünden ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln.
Rz. 14.10
Die einfachrechtlichen Zweifel des Finanzgerichts betreffen vor allem Zweifel daran, dass die entscheidend in die Bewertung eingeflossenen Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen seien. Hierbei hat der zuständige Senat ernstliche Bedenken bezüglich der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse sowie der für die Ermittlung der Bodenrichtwerte notwendigen Datengrundlage geäußert.
Rz. 14.11
Zudem sah es das Finanzgericht aus Rechtsgründen als geboten an, dass Steuerpflichtige – im Einzelfall und unte...