Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 39
Die im Besteuerungszeitpunkt neu geschaffene Bausubstanz ist aus dem Grundstückswert nach Fertigstellung des Gebäudes zu ermitteln. Die Bewertung erfolgt hier im Ertragswertverfahren, und zwar unter Ansatz der üblichen Miete, die im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes zu erzielen wäre (§ 149 Abs. 2 Satz 1 BewG). Hierbei handelt es sich um eine Stichtagsmiete. Diese Stichtagsmiete wird i.d.R. aus Mietspiegeln oder aus Vergleichsmieten abgeleitet. Dies setzt voraus, dass dem Finanzamt bei Durchführung der Grundstücksbewertung solche Mietansätze bekannt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, muss entweder die Feststellung des Grundstückswerts zurückgestellt oder es muss eine vorläufige Grundstücksbewertung durchgeführt werden.
In der Praxis wird ohnehin eine endgültige Bewertung nur mit einer gewissen Zeitverzögerung möglich sein. Denn im Besteuerungszeitpunkt sind die Herstellungskosten bis zur Fertigstellung im Einzelfall mitunter noch nicht bekannt, sodass die endgültige Fertigstellung abgewartet werden muss. Erfolgt die Feststellung des Grundbesitzwerts für das Gebäude im Zustand der Bebauung dennoch bereits zeitnah zum Besteuerungszeitpunkt, muss die Berichtigung des festgestellten Werts verfahrensrechtlich – beispielsweise durch eine Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO – sichergestellt werden.
Rz. 40
Besondere Bedeutung hatte die Frage der üblichen Miete in den Fällen, in denen Grundstücke auf dem regionalen Mietenmarkt teils vermietet und teils nicht vermietet sein können, als die Finanzverwaltung noch von einem Mischverfahren ausging. Problematisch war insbesondere die Bewertung von Bankgebäuden, hallenartigen Gebäuden, Heimen, Hotelgebäuden, Hotelpensionen, Privatschulen und Sporthallen. Seit dem 1.1.2003 ist die Bewertung in diesen Fällen einheitlich nach § 147 BewG durchzuführen.
Rz. 41
Wird das Grundstück nach Fertigstellung des Gebäudes vermietet, dürfte i.d.R. die vereinbarte "Erstmiete" der üblichen Miete entsprechen. Lediglich in den Fällen, in denen Angehörige über "nahestehende" Personen- und Kapitalgesellschaften in das Mietverhältnis eingebunden sind, dürfte das Finanzamt kritisch prüfen, ob die vereinbarte Miete der üblichen Miete entspricht.
Rz. 42
Die übliche Miete ist mit dem Faktor 12,5 zu vervielfachen. Aus dem Produkt ergibt sich der Ausgangswert. Da es sich bei dem Gebäude im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit um einen Neubau handelt, ist keine Alterswertminderung abzurechnen. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die ausschließlich Wohnzwecken dienen, ist der Ausgangswert um einen Zuschlag von 20 % zu erhöhen. Für die Vornahme des Zuschlags sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für die Frage, ob auf einem Grundstück ein Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen errichtet wurde, als auch für die Frage, ob dieses Grundstück ausschließlich Wohnzwecken dient. Auf die ursprünglichen Planungen des Erblassers bzw. Schenkers kommt es dabei nicht an. Maßgebend ist allein der tatsächliche Zustand des Grundstücks bei Bezugsfertigkeit. Sollte dieser Zustand bei Durchführung der Grundstücksbewertung noch nicht eindeutig feststehen, wird das Finanzamt den Feststellungsbescheid in diesem Punkt vorläufig (§ 165 AO) erteilen.
Beispiel
Der Erblasser A hat auf dem Grundstück in B die Errichtung eines Zweifamilienhauses geplant, dessen Wohnung im Erdgeschoss vermietet und dessen Wohnung im 1. Obergeschoss von ihm selbst genutzt werden sollte. Im Besteuerungszeitpunkt 3.4.2007 ist dieses Zweifamilienhaus noch nicht fertiggestellt. Die Arbeiten werden von dem Alleinerben C bis Ende 2007 durchgeführt. Das Gebäude ist am 5.1.2007 bezugsfertig. C hat sich entschlossen, die Wohnung im Erdgeschoss als Steuerberaterpraxis zu nutzen. Sollte er allerdings die Steuerberaterprüfung nicht bestehen, wird er die Räume im Erdgeschoss wie von A geplant als Wohnung vermieten. Die Wohnung im 1. Obergeschoss will er zu eigenen Wohnzwecken nutzen.
Sollte das Finanzamt die Feststellung des Grundstückswerts bis Ende 2008 durchführen wollen, wird es die Frage, ob das Zweifamilienhaus ausschließlich Wohnzwecken dient und somit der Ausgangswert aus üblicher Miete × 12,5 um 20 % zu erhöhen ist, nur vorläufig beantworten können. Eine endgültige Antwort auf diese Frage wird sich erst durch die Nutzung des C im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ergeben. Werden die Räume im Erdgeschoss als Steuerberaterpraxis genutzt, so entfällt ein Zuschlag von 20 %; dienen sie dagegen Wohnzwecken, ist ein Zuschlag vorzunehmen.
Rz. 43
Der Ertragswert ist nach unten auf den Mindestwert, also den Wert aus Grundstücksfläche × 80 % des ggf. korrigierten Bodenrichtwerts, zu begrenzen. Der Steuerpflichtige kann hier einen niedrigeren Verkehrswert für den Grund und Boden nachweisen. Darüber hinaus ist der Ertragswert nach oben auf den Verkehrswert des Grundstücks begrenzt, wenn dieser unter dem Ertragswert bzw. M...