Rz. 660

[Autor/Stand] Unmittelbar im Anschluss an § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG beginnt Satz 2 ErbStG mit den an § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anknüpfenden Worten: "Freigebig sind auch ...". Die Vorschrift lässt sich daher mit beiden Tatbeständen verbinden.[2]

  • § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: Lediglich beiläufig äußerte sich der BFH bereits hierzu. Satz 2 habe insoweit klarstellende Bedeutung.[3] Dies ist durchaus zustimmungsfähig. Denn als juristische Personen mit eigener Vermögenssphäre[4] können Kapitalgesellschaften einander unabhängig von ihren internen Beteiligungsverhältnissen bereichern. Für die Freigebigkeit spielen die Motive des Schenkers keine Rolle,[5] es genügt schon der Wille zur Unentgeltlichkeit.[6] Freigebige Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften sind daher selbst dann möglich, wenn an ihnen dieselben Gesellschafter identisch beteiligt sind (s. auch Rz. 655).[7] Aus der ausdrücklichen Klarstellung der Freigebigkeit bei unterschiedlicher Beteiligung ergibt sich kein zwingender Umkehrschluss.
  • § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG: Aktuell bezieht die Finanzverwaltung Satz 2 nur noch auf diesen Tatbestand; die Norm wirke insoweit ergänzend,[8] demnach also konstitutiv. Konsequent verneint sie daher die Steuerbarkeit einschlägiger Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit natürliche Personen oder Stiftungen identisch an beiden Gesellschaften, unmittelbar oder mittelbar, beteiligt sind.[9] Dass sie allerdings nicht die "Absicht ... Gesellschafter zu bereichern", sondern nur den bei Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG grundsätzlich (s. Rz. 634) nicht benötigten Willen zur Unentgeltlichkeit als subjektives, zusätzliches, Tatbestandsmerkmal[10] verlangt,[11] stimmt zwar mit der ursprünglichen Begründung,[12] doch nicht dem Wortlaut der Vorschrift überein. Offen zutage tritt dieser Widerspruch in der amtlichen Verweisung auf die "Grundsätze des R E 7.1 Abs. 3" ErbStR 2019.[13] Danach ist "ein auf die Bereicherung des Bedachten gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht ... nicht erforderlich".[14]
 

Rz. 661

[Autor/Stand] In Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG wird man zunächst die objektiv feststellbaren Beteiligungsverhältnisse prüfen. Bei inländischen GmbHs genügt hierzu der Blick in die beim Handelsregister geführten Gesellschafterlisten (§§ 16, 40 GmbHG), bei AGs mag die jeweilige Gesellschaft als Informationsquelle zur Identifizierung der Aktionäre dienen (§§ 67, 67d AktG). Entscheidend dafür, ob dieselben Gesellschafter (offiziell:[16] dieselben natürlichen Personen oder Stiftungen) an beiden Kapitalgesellschaften – unmittelbar oder mittelbar – anteilmäßig[17] gleich beteiligt sind, ist ausschließlich die Zivilrechtslage (§ 39 Abs. 1 AO – s. auch Rz. 610); grundsätzlich unzulässig wäre eine ggf. abweichende Zurechnung einzelner Anteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.[18]

 

Rz. 662

[Autor/Stand] Nur bei personell und/oder quotenmäßig nicht übereinstimmenden Anteilsverhältnissen ist kumulativ auch das subjektive Moment der in § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG genannten Bereicherungsabsicht bzw. der Wille zur Unentgeltlichkeit erforderlich. Hierbei kommt es auf die Kenntnis der für die schenkende Kapitalgesellschaft handelnden Personen an;[20] das sind i.d.R. ihre organschaftlichen, gesetzlichen Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB; § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 78 Abs. 1 Satz 1 AG).[21]

 

Rz. 662.1

[Autor/Stand] Relevante Vorgänge zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften will die Finanzverwaltung konsequent als fiktive Schenkungen der leistenden Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 4 ErbStG an die dort genannten Bedachten behandeln. Sie fokussiert in diesem Zusammenhang den/die veranlassenden (Mit-)Gesellschafter.[23] Bei gleichzeitiger Beteiligung des/der veranlassenden Gesellschafter/s an beiden Kapitalgesellschaften gilt jedoch (auch) die unmittelbar bereicherte Gesellschaft als sog. nahestehende Person und "in diesen Fällen lieg(en) regelmäßig ... freigebige Zuwendungen(en) i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zwischen (diesem/n) Gesellschafter/n und der nahestehenden Person vor."[24] Dieses Dilemma bedarf der Auflösung, weil es nicht nur die Personifizierung der Steuerschuldner (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) tangiert, sondern auch die damit verknüpfte Zuständigkeit der Schenkungsteuerstellen (§ 35 Abs. 1, 2 Nr. 1 ErbStG) und die für die Verwirklichung der Steueransprüche wichtige Verjährung (§ 170 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2 AO; § 30 Abs. 1, 2 ErbStG). Nicht zielführend ist die Weisung zur ausschließlichen Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, "wenn ein Erwerb zugleich (auch) die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG... erfüllt."[25] Es geht gerade nicht um einen Erwerb, sondern um verschiedene Erwerbe zwischen jeweils anderen Steuerpflichtigen und zu klären ist, ob in einschlägigen Sachverhalten diese Erwerbe kumulativ oder alternativ dem schenkungsteuerlichen Zugriff unterliegen. Den richtigen Verfahrensweg weist § 174 AO.[26]

 

Rz. 662.2

[Autor/Stand] Relevante Vorgänge ereignen sich selbstverständl...

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