a) Grundsätze

 

Rz. 66

[Autor/Stand] Nach der früheren Rechtsprechung wurde als "absehbare Zeit" ein Zeitraum angesehen, für den schon am Stichtag die Entwicklung mit einiger Wahrscheinlichkeit übersehen werden kann, besonders in der Richtung, dass sich der Übergang von der landwirtschaftlichen Nutzung zu einer anderen Nutzung vollziehen werde.[2] Später hat die Rechtsprechung den Begriff "absehbare Zeit" den Bedürfnissen der Praxis folgend konkreter abgegrenzt[3] und entschieden, dass es Aufbau und Zweck des RBewG entspräche, als absehbare Zeit i.d.R. den Hauptfeststellungszeitraum (§ 21 Abs. 1 BewG) und bei Nachfeststellungen sowie Wertfortschreibungen einen etwa gleich langen Zeitraum von sechs Jahren anzusehen.[4] Der BFH betont zu Recht, dass die zeitmäßige Festlegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "in absehbarer Zeit" dem Postulat nach Gleichmäßigkeit der Besteuerung entspricht. Der Zeitraum von sechs Jahren darf aber nicht als unabdingbares Zeitmaß für den Begriff "absehbare Zeit" angesehen werden. Es kann sich hierbei nur um einen Anhaltspunkt handeln.

 

Rz. 67

[Autor/Stand] In Anwendung vorstehender Grundsätze hat der BFH in einer weiteren Entscheidung[6] die Lage einer noch land- und forstwirtschaftlich genutzten Fläche im Gebiet eines rechtskräftig festgestellten Bebauungsplans sowie die Einleitung eines Umlegungsverfahrens als Indiz für eine Nutzung in absehbarer Zeit unter der Voraussetzung angesehen, dass das Umlegungsverfahren auch tatsächlich zweckentsprechend und ohne Verzögerung betrieben wird.

 

Rz. 68

[Autor/Stand] Folgerichtig hat der BFH eine landwirtschaftlich genutzte teilerschlossene Grundstücksfläche (Resteinwurfsfläche) aufgrund eines Umlegungsverfahrens (in einem Gebiet, für das ein Bebauungsplan als reines Wohngebiet bestand) nicht dem Grundvermögen zugeordnet, wenn nach den Verhältnissen vom Feststellungszeitpunkt mit einer Bebauung in den nächsten Jahren nicht gerechnet werden kann.[8] Ebenso wurde für den Fall entschieden, dass Anhaltspunkte für eine mehrjährige Unterbrechung des Umlegungsverfahrens bestehen.[9]

b) Besonderheiten bei der Bedarfsbewertung

 

Rz. 69

[Autor/Stand] Bei der Einheitsbewertung hat sich die Rechtsprechung für den regelmäßig maßgebenden Zeitraum von sechs Jahren an den Zeitraum angelehnt, für den theoretisch die Hauptfeststellungen der Einheitswerte des Grundbesitzes vorgenommen werden sollten (§ 21 Abs. 1 BewG). Diese Rechtsprechung basiert auf dem Gedanken, dass Tatsachen, die nach den Verhältnissen des maßgebenden Hauptfeststellungszeitpunktes wahrscheinlich nicht innerhalb von sechs Jahren eintreten, erst im Rahmen des nächsten Hauptfeststellungszeitpunktes zu berücksichtigen sind.

 

Rz. 70

[Autor/Stand] Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2008 stellte sich die Frage, ob sich diese Überlegungen ohne weiteres auf die Bedarfsbewertung übertragen ließen. Denn § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG ordnet ausdrücklich an, dass für die wirtschaftlichen Einheiten beim Grundvermögen und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG "die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 68, 69 und 99 Abs. 2 und der §§ 139 und 145 bis 150 zu ermitteln" sind. Die für die Bedarfsbewertung anzuwendenden Vorschriften des BewG zählte § 138 Abs. 1 BewG also abschließend auf. Demzufolge können von vornherein die nicht in dieser Auflistung enthaltenen übrigen Normen des BewG nicht herangezogen werden, um die anzuwendenden Regelungen auszulegen. In jedem Fall aber wäre bei der Auslegung zu beachten gewesen, dass die Zwecksetzung der Einheitsbewertung und die der Bedarfsbewertung eine unterschiedliche war und nach wie vor ist. Anders als die Einheitswerte werden die Bedarfswerte einmalig zu einem bestimmten Besteuerungszeitpunkt festgestellt (Stichtagsprinzip). Eine erneute Feststellung, in deren Rahmen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (z.B. eine kürzere Zeit bis zur Baureife) berücksichtigt werden können, kommt bei der Bedarfsbewertung – anders als bei der Einheitsbewertung – nicht in Betracht.[12] Sofern § 21 Abs. 1 BewG für die Auslegung des Begriffs der absehbaren Zeit überhaupt herangezogen werden dürfte, kann er jedenfalls nach seinem Sinn und Zweck keine brauchbaren Auslegungskriterien für die Zwecke der Bedarfsbewertung beisteuern.

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung schien von anderen Gesichtspunkten auszugehen und den Zeitraum von sechs Jahren auch für die Zwecke der Bedarfsbewertung zu Grunde legen zu wollen. Eine Begründung wurde freilich dafür nicht angegeben. In den Richtlinien zum Bewertungsgesetz heißt es, dass für den Begriff "absehbare Zeit" in § 69 Abs. 1 BewG ein Zeitraum von sechs Jahren zu verstehen sei.[14] Für die Bedarfsbewertung wird dann zum Tatbestandsmerkmal "absehbare Zeit" nur in einem Klammerzusatz auf die BewRGr verwiesen.[15]

 

Rz. 72

[Autor/Stand] Das FG München sah für die Zwecke der Bedarfsbewertung keinen Anlass, von dem Zeitrahmen von sechs Jahren abzuweichen.[17] Zwar hatte das Finanzamt im konkreten Fall geltend gemacht, dass dieser Zeitraum zu...

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