Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 110
Der Gesetzgeber stellt in § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG auf die vertraglich vereinbarte Miete ab. Bei der Jahresmiete handelt es sich somit um eine Sollmiete. Auf das, was tatsächlich in dem dreijährigen Mietermittlungszeitraum an Miete gezahlt wurde, kommt es nicht an; Mietausfälle bleiben daher bei der Ermittlung der Jahresmiete außer Ansatz.
Rz. 111
Die Definition der Jahresmiete als Sollmiete steht in einem gewissen Widerspruch zu der Formulierung in § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG, nach der – für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 – bei der Kapitalisierung mit dem 12,5-fachen auf die im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielte Jahresmiete abzustellen ist. "Erzielt" kann in der Weise verstanden werden, dass es auf die tatsächlich erhaltene, also vereinnahmte Miete ankommen soll. Trotz des widersprüchlichen Gesetzeswortlauts gehen Christoffel/Geckle/Pahlke davon aus, dass die Jahresmiete nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine Sollmiete ist. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zur Ableitung des Vervielfältigers zwar kein gesonderter Abzug für das Mietausfallwagnis vorgesehen sei, sich jedoch diese Wertminderung in dem allgemeinen Abschlag für die begrenzte Nutzungsfähigkeit von Grundstücken i.H.v. 10 % ausdrücke. Mit Tz. 47 Abs. 1 Satz 4 der gleich lautenden Erlasse v. 2.4.2007 geht die Finanzverwaltung ausdrücklich davon aus, dass Instandsetzungs- und Verwaltungskosten sowie das Mietausfallwagnis als nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten bereits bei der Festlegung des Vervielfältigers berücksichtigt worden sind. Zudem weist Tz. 46 Abs. 1 Satz 7 der gleich lautenden Erlasse v. 2.4.2007 an, dass bei Mietausfall trotz des geringeren Ertrags eine Bewertung auf der Grundlage der vereinbarten Miete vorzunehmen ist.
Rz. 112
Dies entspricht der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung. In Rz. 27 der gleich lautenden Ländererlasse v. 28.5.1997 sowie in R 170 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. R 167 Satz 1 ErbStR 2003 weist sie bereits für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 darauf hin, dass unter der "erzielten Miete" eine durchschnittliche Sollmiete gemeint sei. Ob die Rechtsprechung allerdings diese Auffassung teilen wird, vor allem vor dem Hintergrund, dass das Mietausfallwagnis nicht wie bei der Einheitsbewertung 1964 als gesonderter Abzugsposten bei der Bildung des Vervielfältigers "offen" in Erscheinung tritt, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang lässt sich aus der Sicht des Steuerpflichtigen auch argumentieren, dass die Ermittlung einer Durchschnittsmiete eher dafür spricht, auf die tatsächlich vereinnahmte Miete zurückzugreifen, bei der eventuelle Mietausfälle wegen der Durchschnittsermittlung für die Wertfindung meist von untergeordneter Bedeutung sind. Dagegen wäre das Abstellen auf die tatsächlich vereinnahmte Miete bei einer stichtagsbezogenen Miete – wie es bei der Einheitsbewertung 1964 der Fall ist – durch die Hochrechnung auf eine Jahresmiete von erheblicher Auswirkung auf den Grundstückswert. Dies könnte die unterschiedliche Berücksichtigung des Mietausfallwagnisses erklären. Allerdings dürften die Erfolgsaussichten für die Auffassung, es sei die Istmiete anzusetzen, angesichts des klaren Wortlauts des § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. gering sein. Denn insoweit wird letztlich die Jahresmiete als Gesamtentgelt definiert, das die Mieter beziehungsweise Pächter für die Nutzung der bebauten Grundstücke aufgrund "vertraglicher Vereinbarungen" für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben.
Rz. 113
Für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 ergibt sich der Ansatz einer Sollmiete bereits aus § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG, wonach auf die "vereinbarte Jahresmiete" abzustellen ist. Somit wird die bisherige sprachliche Ungenauigkeit durch das Jahressteuergesetz 2007 beseitigt.
Rz. 114
Betrifft der Mietausfall nicht nur die Nettomiete, sondern auch die umlagefähigen Betriebskosten, kann der Vermieter die "ausgefallenen" Betriebskosten nicht von der Jahresmiete abziehen. Denn auch für diesen Fall muss berücksichtigt werden, dass die umlagefähigen Betriebskosten die Höhe der Jahresmiete nicht beeinflussen dürfen.
Rz. 115
Probleme mit dem Begriff "Sollmiete" ergeben sich für die Grundstückseigentümer, die ihre Büroräume zu einer Miete überlassen, die an die obere Grenze der ortsüblichen Miete heranreicht und sie ggf. überschreitet. Diese Steuerpflichtige müssen wegen des hohen Mietniveaus damit rechnen, dass sie ihr Objekt nicht zu 100 % vermietet bekommen. Einen eventuellen Leerstand einzelner Räume kalkulieren sie dabei in den Mietansatz ein. Bei einer Gesamtbetrachtung stehen sie sich meist besser als derjenige, der das gesamte Objekt zu einer ortsüblichen Marktmiete vermietet, die im mittleren Bereich der Mietspanne liegt. Bei der Grundstücksbewertung setzt das Finanzamt für die Räume, die tatsäc...