Rz. 36

[Autor/Stand] Die Frage der Lebensdauer eines Gebäudes kann zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung führen. Gleichwohl hat aber der Gesetzgeber – sicherlich auch in Anbetracht der großen Vielfalt an Möglichkeiten – keine gesetzliche Regelung für die maßgebende Lebensdauer bei den einzelnen Bau- und Nutzungsarten festgelegt. Die Finanzverwaltung hat die gewöhnliche Lebensdauer von Gebäuden bestimmter Bau- und Nutzungsarten – entsprechend von Erfahrungssätzen – allgemein festgelegt.[2] Zwar sind die in den Richtlinien festgelegten Zeiten der Lebensdauer der verschiedenen Gebäude für die Finanzgerichte nicht bindend. Die Richtlinien geben jedoch insoweit einen technischen Erfahrungssachverhalt wieder, den die Gerichte ihren Entscheidungen nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins ohne weitere Sachaufklärung zugrunde legen können.[3] Wird im Einzelfall eine abweichende kürzere Lebensdauer geltend gemacht, bedarf es folglich dafür eines besonderen Nachweises. In solchen Fällen wird es sich regelmäßig um Sachverhalte handeln, in denen die gewöhnliche Lebensdauer durch außergewöhnliche Umstände beeinflusst ist (vgl. zu Sonderfällen Rz. 61 ff.). Hinsichtlich eines entsprechenden Nachweises derart außergewöhnlicher Umstände ist es nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige dazu einen Bausachverständigen hinzuzieht. Allerdings kann dessen fundierte Aussage einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Festlegung der Lebensdauer beitragen.

 

Rz. 37

[Autor/Stand] Allgemein gilt die (von der Finanzverwaltung festgelegte) Lebensdauer von Gebäuden bestimmter Bau- und Nutzungsarten unabhängig von ertragsteuerlichen Grundsätzen für die Bestimmung der Abschreibungsdauer von Gebäuden.[5] Grund für die Unbeachtlichkeit dieser Grundsätze ist, dass die ertragsteuerlichen Abschreibungszeiträume unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Nutzungsdauer bestimmt worden sind, während § 86 BewG in erster Linie auf die tatsächliche bzw. technischen Lebensdauer eines Gebäudes abstellt (vgl. Rz. 16). Auch unterliegen die ertragsteuerlichen Abschreibungsdauern in erheblichem Maße steuerpolitischen Erwägungen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang zudem der Umstand, dass die typisierten ertragsteuerlichen Abschreibungsdauern im Übrigen nicht der am gemeinen Wert orientierten Wertermittlung nach dem Bewertungsgesetz entsprechen.

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung hat in 41 Abs. 2 Satz 3 BewRGr die folgenden Grundsätze zur Bestimmung der Lebensdauer aufgestellt[7]:

 
Bauart Lebensdauer und jährliche Wertminderung für
Fabrikgebäude, Werkstattgebäude, Lagergebäude, Kühlhäuser, Trockenhäuser, Molkereigebäude, Tankstellengebäude, Transformatorenhäuser, Hallenbäder, Badehäuser die übrigen Gebäude
  in Jahren in % in Jahren in %
1. Massivgebäude und Gebäude in Stahl- oder Stahlbetonskelettkonstruktion 80 1,25 100 1,00
2. Holzfachwerkgebäude mit Ziegelsteinausmauerung 60 1,67 70 1,43
3. Holzgebäude und Holzfachwerkgebäude mit Lehmausfachung oder mit Verschalung, Massivgebäude aus großformatigen Betonplatten (Fertigteile) 50 2,00 60 1,67
4. Massivschuppen, Stahlfachwerkgebäude mit Plattenverkleidung, Gebäude in leichter Bauart, bei denen die Außenmauern – ohne Putz gemessen – weniger als 20 cm stark sind (ausgenommen Skelettbauten und Rahmenbauten, Fertigteilbauten aus Holz 40 2,50 40 2,50
5. Holzgebäude in Tafelbauart mit massiven Fundamenten 30 3,33 30 3,33
6. Wellblechschuppen, Holzschuppen, Holzgebäude in Tafelbauart ohne massive Fundamente 20 5 20 5
 

Rz. 39

[Autor/Stand] Für den in der Tabelle nicht aufgeführten Sonderfall, dass Fabrikgebäude der in Absatz 2 unter Nr. 1 genannten Art, die im Zusammenhang mit dem Industriezweig, für den sie verwendet werden, der zerstörenden Einwirkung von Dampf oder Chemikalien ausgesetzt sind und trotz laufender baulicher Unterhaltung einem besonders starken Verschleiß unterliegen, ist eine Lebensdauer von maximal 60 Jahren zugrunde zu legen. In Betracht kommen dafür bestimmte Gebäude von chemischen Betrieben und Säurebetrieben, wie z.B. der Kunstdüngerindustrie, Beizereien, Färbereien, Verzinkereien, Papierfabriken, wenn bestimmte wesentliche Bauteile (Dach, Fußboden, Putz usw.) kurzfristig zerstört werden können. Sind die Zerstörungen nachweislich derart stark, dass bei normaler baulicher Unterhaltung eine Lebensdauer von 60 Jahren nicht erreicht wird, so kann in diesen Einzelfällen auch eine kürzere Lebensdauer zugrunde gelegt werden.[9] Voraussetzung für die Annahme der verkürzten Lebensdauer ist, dass die Gebäude im Zusammenhang mit der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der zerstörenden Einwirkung ausgesetzt sind.[10]

 

Rz. 40– 50

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Knittel, Stand: 01.11.2023
[Autor/Stand] Autor: Knittel, Stand: 01.11.2023
[5] Gleicher Ansicht Halaczinsky in Rössler/Troll, § 86 BewG R...

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