Rz. 15
Der Erbe erwirbt vom Erblasser unentgeltlich. Der Übergang von Verbindlichkeiten des Erblassers nach § 1922 BGB ist keine Gegenleistung des Erben – an wen sollte sie auch erbracht werden? –, sondern mindert nur den Zuwachs an Leistungsfähigkeit. Auch die Erfüllung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen der Erbe belastet ist, macht den Erwerb weder ganz noch teilweise entgeltlich; auch hier ergibt sich nur Erwerbsaufwand, der die zugewachsene Leistungsfähigkeit mindert.
Rz. 16
Anders ist es bei einem entgeltlichen Erbvertrag. Bei ihm übernimmt der Vertragserbe mit Rücksicht auf die erbrechtliche Zuwendung eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Erblasser. Zumeist handelt es sich um die Verpflichtung, Versorgungsleistungen an den Erblasser zu erbringen (vgl. dazu § 2295 BGB). Die schuldrechtliche Verpflichtung steht in keinem Austauschverhältnis zu der Verfügung des Erblassers. Aber eine kausale oder konditionale Verknüpfung ist möglich und üblich.
Rz. 17
Auch ein Vermächtnisnehmer kann entgeltlich erwerben, sei es, dass er für das Vermächtnis Leistungen an den künftigen Erblasser erbringt, sei es, dass er den Nachlassgegenstand nur im Austausch mit einer Gegenleistung an den Erben beanspruchen kann, wie das bei einem Kaufrechtsvermächtnis geschehen muss. Dasselbe gilt bei einem Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 BGB) oder einem unechten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) wenn der der Erwerber Leistungen an den Schenker, den Versprechensempfänger oder an Dritte zu erbringen hat.
Rz. 18
In allen diesen Fällen erwirbt der Erwerber ganz oder teilweise entgeltlich, aber erst im Erbfall. Bis dahin hat er nur eine Erwerbschance, für die er bereit ist zu zahlen. Zivilrechtlich handelt sich um einen Hoffnungskauf (emptio spei). Ob sich das Geschäft für den Erwerber gelohnt hat, zeigt erst der Erbfall. Ist der Nachlass gering und hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, ist die Gegenleistung unwiederbringlich verloren. Anders ist es nur dann, wenn die letztwillige Verfügung unwirksam ist, auf der das Erwerbsrecht beruhen soll, oder der Erblasser den Erwerb absprachewidrig vereitelt; dann kann der Leistende einen Bereicherungsanspruch gegen den Erwerber des Nachlasses aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB haben. Der BFH hat allerdings einen anderen Akzent gesetzt und das Geschehen als Kreditgeschäft beurteilt. Wirtschaftlich betrachtet nehme derjenige, der sich eine Leistung dafür erbringen lasse, dass er einen anderen zu seinem Erben einsetzt, einen erst anlässlich seines Todes "rückzahlbaren" Kredit auf. Faktisch liege ein mit spekulativen Elementen angereichertes und mit Risikokomponenten behaftetes Darlehen vor. Aber wie auch immer, es bleibt dabei, dass die Entgeltlichkeit nichts daran ändert, dass es sich um einen Erwerb von Todes wegen handelt.
Rz. 19
Des Weiteren stellt sich die Frage, wie die Gegenleistung zu berücksichtigen ist: Bereits auf der Erwerbsebene, so dass sie den Umfang des Erwerbs bestimmt, wie das bei einer gemischten Schenkung geschieht, oder erst auf der Bereicherungsebene i.S. des § 10 Abs. 1, so dass der Erwerb um die Gegenleistung als Erwerbsaufwand gemindert wird. Der BFH hat sich für die zweite Lösung entschieden.