Hans-Werner Högl, Friedemann Kirschstein
Rz. 165
Der sehr weit gefasste Begriff der Schulden und Lasten wird gesetzgeberisch dadurch eingeschränkt, dass zwischen ihnen und dem erworbenen Vermögen ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen muss.
Rz. 166
Dieser Zusammenhang besteht dann, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen und die Schuld den Gegenstand wirtschaftlich belastet. Ob ein derartiger ursächlicher und unmittelbarer Zusammenhang besteht, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden:
Rz. 167
Die Verpfändung eines Gegenstandes oder die Belastung mit einer Hypothek begründet für sich allein noch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang. Vielmehr müssen diese Sicherungsrechte eine Schuld zum Zwecke des Erwerbs, der Herstellung, der Erhaltung oder der Verbesserung des belasteten Gegenstandes besichern. Bestand jedoch bereits beim Rechtsvorgänger kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Schuld und Vermögen, wird dieser allein durch den Erwerb des Vermögens nicht begründet.
Rz. 168
Leistungsauflagen (z.B. Rentenleistungen), die erst mit dem Erwerb begründet werden, stehen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit allen zugewendeten Gegenständen. Sie sind den einzelnen Gegenständen nach dem Verhältnis der Steuerwerte zuzuordnen. Soweit die Schulden auf steuerbefreite Vermögensgegenstände entfallen, ist § 10 Abs. 6 ErbStG somit anwendbar. Das gleiche gilt bei der Erbringung von Gegenleistungen im Rahmen einer gemischten Schenkung.
Rz. 169
Werden Nutzungs- und Duldungsauflagen (Nießbrauch, Wohnrecht) mit dem Erwerb begründet und beziehen sie sich auf einen konkreten Vermögensgegenstand (z.B. Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt), ist der wirtschaftliche Zusammenhang zu diesem Vermögensgegenstand gegeben. Wird die Nutzungs- und Duldungsauflage dagegen an der Gesamtheit der zugewendeten Vermögensgegenstände begründet (z.B. der gesamte Nachlass wird mit einem Nießbrauch zugunsten eines Vermächtnisnehmers belastet), ist die Belastung auf die einzelnen Vermögensgegenstände im Verhältnis ihrer Verkehrswerte aufzuteilen.
Rz. 170
Hinsichtlich geltend gemachter Pflichtteilsansprüche und Zugewinnausgleichsansprüche des überlebenden Ehegatten hatte der BFH entschieden, dass kein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zu einzelnen Vermögensgegenständen bestehe und hatte deshalb den uneingeschränkten Abzug dieser Ansprüche als Nachlassverbindlichkeiten auch dann zugelassen, wenn in dem Nachlass ganz oder teilweise steuerbefreite Gegenstände enthalten waren. Eine unmittelbare Zuordnung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen zu bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen lehnte der BFH ab. Diese Auffassung hatte er hinsichtlich eines auf Geld gerichteten Untervermächtnisses bestätigt.
In beiden Urteilen hatte der BFH inhaltsgleich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber einen beabsichtigten nur anteiligen Abzug der Nachlassverbindlichkeiten hätte anordnen können und müssen. Die Finanzverwaltung war der Rechtsprechung des BFH zunächst gefolgt, so dass bei Pflichtteilsansprüchen und anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Konsumentendarlehen, Steuerschulden, Erbfallkosten oder Verpflichtung der Erben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs) kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen bestand. Damit war der Weg zu einem unbeschränkten Abzug dieser Schulden frei.
Der Gesetzgeber sah allerdings Regelungsbedarf bezüglich der Anordnung eines allgemeinen Abzugsverbots von Schulden und Lasten, die im Zusammenhang mit ganz oder teilweise befreitem Vermögen stehen und hat die Rechtsprechung des BFH und die Auffassung der Finanzverwaltung mit dem Jahressteuergesetz 2020 durch Einfügung der Sätze 5 bis 10 korrigiert (s. dazu unter Rz. 190 ff.).
Rz. 171
Erwerbsnebenkosten sind nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen auch dann in vollem Umfang abzugsfähig, wenn sie im Zusammenhang mit befreitem oder teilweise befreitem Vermögen stehen.
Rz. 172– 174
Einstweilen frei.