Rz. 10

[Autor/Stand] § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 sieht vor, dass Wirtschaftsgüter unter bestimmten Voraussetzungen als Ausnahme von der Regel des Abs. 1 für die Besteuerung einem anderen als dem nach bürgerlichem Recht Berechtigten zugerechnet werden. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist ein gesetzlich geregelter Anwendungsfall der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Er entspricht seinem sachlichen Inhalt nach dem vormaligen § 11 Nr. 1 bis 4 StAnpG. Für die Zurechnung an einen anderen als den nach bürgerlichem Recht Berechtigten hat sich der Ausdruck "wirtschaftliches Eigentum" gebildet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen steuerrechtlichen Eigentumsbegriff; es wird lediglich die Abweichung von der durch das Zivilrecht bestimmten Regelzurechnung für steuerliche Zwecke verallgemeinernd umschrieben.[2] Die Entscheidung, ob vom bürgerlich-rechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum gegeben ist, kann für alle Steuern, soweit es auf das wirtschaftliche Eigentum ankommt, nur einheitlich getroffen werden.[3]

 

Rz. 11

[Autor/Stand] § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 beschreibt den wirtschaftlichen Eigentümer im Anschluss an Seeliger[5] und an das sog. Leasing-Urteil des BFH[6] dahin, dass er die tatsächliche Sachherrschaft über ein Wirtschaftsgut in einer Weise ausübt, die den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließt. Das ist dann der Fall, wenn der nach bürgerlichem Recht Berechtigte praktisch keine Einwirkungsmöglichkeit auf das Wirtschaftsgut hat, weil seinem Herausgabeanspruch Einwendungen entgegenstehen oder weil er seinerseits verpflichtet ist, das Wirtschaftsgut an denjenigen herauszugeben, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Dies erfordert, dass der wirtschaftliche Eigentümer eine Rechtsstellung hat, die zwar nicht aus dem Eigentum abgeleitet ist, die aber die Rechte des Eigentümers aus dem Eigentum entwertet.

 

Rz. 12

[Autor/Stand] Hieraus folgt, dass die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers auf ein wirksames Rechtsgeschäft gegründet sein muss. Es genügt nicht, dass die Parteien eines unwirksamen Rechtsgeschäfts (z.B. eines unter Genehmigungsvorbehalt stehenden Vertrages) dieses nach § 41 AO zwar der Besteuerung zugrunde legen müssen, weil sie die wirtschaftlichen Ergebnisse dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen; denn in diesem Fall könnte der Eigentümer seine Rechte aus dem Eigentum durchsetzen. Wenn er es nicht tut, dann nur im gegenseitigen Einverständnis, nicht aber, weil er rechtlich dazu nicht die Möglichkeit hätte.

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Auch das wirtschaftliche Eigentum setzt die Herrschaft an bestimmten Wirtschaftsgütern voraus, d.h. bei Gattungssachen ist Spezifizierung notwendig.[9] Wirtschaftliches Eigentum ist nicht nur an Sachen, sondern auch an Anteilen und Rechten möglich.[10] § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 führt in Satz 2 einige Beispielsfälle für die Zurechnung an den wirtschaftlichen Eigentümer an, die jedoch, wie sich aus der Definition des Satzes l ergibt, nicht erschöpfend sind.

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Soweit gerade bei nahen Verwandten das wirtschaftliche Eigentum bzw. das wirtschaftliche Miteigentum auf nicht eindeutige oder/und mündliche Vereinbarungen gestützt werden soll, ist auf die langjährige Rechtsprechung des BFH zu Rechtsgeschäften zwischen Familienangehörigen und ansonsten nahe stehenden Personen hinzuweisen.[12] Danach gilt, dass bei Verträgen unter nahe stehenden Personen regelmäßig die Schriftform zwar nicht rechtlich erforderlich, jedoch aus Beweisgründen in jedem Fall zweckmäßig ist; denn der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für den Inhalts des Vertrags. Des Weiteren müssen in jedem Fall die allgemeinen zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen beachtet werden.[13] Zwar vertritt der BFH bei Nichtbeachtung von Formvorschriften mittlerweile eine etwas großzügigere Linie; beispielsweise kann ein zunächst formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen ausnahmsweise auch dann von vornherein steuerlich anzuerkennen sein, wenn aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ein ernsthafter Bindungswille der Angehörigen zweifelsfrei abgeleitet werden kann.[14] Auch wurde darauf hingewiesen, dass bei der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses nur indizielle Bedeutung beizumessen sei[15]; dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen dann verstärkt wirkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insb. bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden können.[16] Die Finanzverwaltung hält insoweit aber nach wie vor grundsätzlich strenge Maßstäbe aufrecht.[17]

 

Rz. 15

[Autor/Stand] Grundsätzlich besteht auch für nahe Angehörige freies Ermessen bei der inhaltlichen Gestaltung eines Vertrags. Grundlegende Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Vertragsverhältnisses unter nahen Angehörigen ist...

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