Rz. 46.10

[Autor/Stand] Nach der hier bisher vertretenen Auffassung war es kaum verständlich, dass der Gesetzgeber an der Maßgeblichkeit des § 146 BewG für Zwecke der Grunderwerbsteuer festgehalten hat, obwohl sowohl der BFH als auch das BVerfG die Willkürlichkeit der Bewertungsergebnisse des § 146 BewG äußerst kritisch beurteilt haben. Die Bewertungsergebnisse weisen keinen hinreichend realistischen Bezug zum gemeinen Wert eines Grundstücks auf. Somit waren die vom BVerfG dargelegten Bedenken nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer, sondern auch bei der Grunderwerbsteuer überzeugend. Der Gesetzgeber kann sich nach Auffassung des BFH bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Ersatz-Bemessungsgrundlage nicht aus Gründen der Folgerichtigkeit auf Gestaltungsfreiheiten berufen, die den an einem Grundstücksgeschäft Beteiligten kraft ihrer Privatautonomie bei der Bemessung einer nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusetzenden Gegenleistung zustehen.

 

Rz. 46.11

[Autor/Stand] Mit dem Beschluss vom 23.6.2015[3] hat das BVerfG entschieden, dass § 8 Abs. 2 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Vielmehr müsse, wenn der Gesetzgeber zur Bemessung der Steuer neben einem Regelbemessungsmaßstab einen Ersatzmaßstab vorsieht, dieser Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Das war bei der Ersatzbemessungsgrundlage nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes nicht der Fall, so dass sie dem Grundsatz der Lastengleichheit[4] nicht genügte. Das BVerfG fordert für eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen, dass für die von einer Steuer erfassten Wirtschaftsgüter eine Bemessungsgrundlage gefunden wird, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet.

Obwohl für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 Grundstücke nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes mit gemeinen Wert zu bewerten und anzusetzen sind, hatte sich der Gesetzgeber dazu entschieden,[5] die Ersatzbemessungsgrundlage[6] für Zwecke der Grunderwerbsteuer weiterhin nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Diese Entscheidung war zumindest überraschend, weil aufgrund des Beschlusses des BVerfG v. 7.11.2006[7] die bisherige Bedarfsbewertung den Zwecken der Erbschaft-/Schenkungsteuer dem Gleichheitssatz nicht genügte. Deshalb lag es – auch ohne eine ausdrückliche Entscheidung des BVerfG – nahe, dass die Bedarfsbewertung mit ihren willkürlichen Ergebnissen auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes entspricht.

 

Rz. 46.12

[Autor/Stand] Der Beschluss des BVerfG war vorhersehbar. Dementsprechend weitreichend war die rückwirkende Anordnung des Beschlusses vom 23.6.2015, dass das bisherige Recht lediglich bis zum 31.12.2008 weiter anwendbar ist. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen.

Entsprechend der Änderung der in § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F. des Art. 8 Nr. 2 StÄndG 2015[9] enthaltenen Verweise gelten – rückwirkend – auch bei Bewertungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes. Betroffen sind bei der Grunderwerbsteuer alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden.[10] Somit hat § 146 BewG nur noch Bedeutung für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009. Betroffen sind in erster Linie Altfälle. Jedoch sind in der Praxis auch solche Grundstücke nach den bisherigen Regelungen zu bewerten, die erstmalig aufgrund einer nach § 14 ErbStG erforderlichen Zusammenrechnung von mehreren Erwerben innerhalb eines Zeitraums vom zehn Jahren steuerlich von Bedeutung sind und vor dem 1.1.2009 übertragen wurden.

 

Rz. 46.13

[Autor/Stand] Bei der verwaltungsmäßigen Umsetzung ergaben sich verschiedene verfahrensrechtliche Fragen. Bezüglich der mit der Rückwirkung in der Praxis verbundenen Fragestellungen vgl. § 138 BewG Rz. 25.11 ff.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2019
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2019
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2019
[9] Art. 8 Nr. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834 = BStBl. I 2015, 846.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2019

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