Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 8
Erläuterungen zu § 149 BewG sind nicht in die ErbStR 2011 aufgenommen worden, weil für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer die Regelungen des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des BewG gelten, die auch die Bewertung der Grundstücke im Zustand der Bebauung umfassen (vgl. § 196 BewG). § 196 Abs. 1 BewG übernimmt dabei den Wortlaut des § 149 Abs. 1 BewG, mit dem die Voraussetzungen für die Annahme eines Grundstücks im Zustand der Bebauung festgelegt werden.
Rz. 8.1
Obwohl für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 Grundstücke nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes mit gemeinen Wert zu bewerten und anzusetzen sind, hatte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die Ersatzbemessungsgrundlage für Zwecke der Grunderwerbsteuer weiterhin nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Diese Entscheidung war zumindest überraschend, weil aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts v. 7.11.2006 die bisherige Bedarfsbewertung den Zwecken der Erbschaft-/Schenkungsteuer dem Gleichheitssatz nicht genügte. Deshalb lag es nahe, dass die Bedarfsbewertung mit ihren willkürlichen Ergebnissen auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes entspricht.
Rz. 8.2
Die für Zwecke der Grunderwerbsteuer weiterhin geltende Bedarfsbewertung des § 149 BewG hielt einer erneuten verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Mit dem Beschluss vom 23.6.2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 8 Abs. 2 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Vielmehr müsse, wenn der Gesetzgeber zur Bemessung der Steuer neben einem Regelbemessungsmaßstab einen Ersatzmaßstab vorsieht, dieser Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Das war bei der Ersatzbemessungsgrundlage nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes nicht der Fall, so dass sie dem Grundsatz der Lastengleichheit nicht genügte. Das Bundesverfassungsgericht fordert für eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen, dass für die von einer Steuer erfassten Wirtschaftsgüter eine Bemessungsgrundlage gefunden wird, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet.
Rz. 8.3
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts war vorhersehbar. Dementsprechend weitreichend war die rückwirkende Anordnung des Beschlusses vom 23.6.2015, dass das bisherige Recht lediglich bis zum 31.12.2008 weiter anwendbar ist. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen.
Rz. 8.4
Entsprechend der Änderung der in § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F. des Art. 8 Nr. 2 StÄndG 2015 enthaltenen Verweise gelten – rückwirkend – auch bei Bewertungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes. Betroffen sind bei der Grunderwerbsteuer alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden. Somit hat § 149 BewG nur noch Bedeutung für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009. Betroffen sind in erster Linie Altfälle. Jedoch sind in der Praxis auch solche Grundstücke nach den bisherigen Regelungen zu bewerten, die erstmalig aufgrund einer nach § 14 ErbStG erforderlichen Zusammenrechnung von mehreren Erwerben innerhalb eines Zeitraums vom zehn Jahren steuerlich von Bedeutung sind und vor dem 1.1.2009 übertragen wurden.
Rz. 8.5
Bei der verwaltungsmäßigen Umsetzung ergaben sich verschiedene verfahrensrechtliche Fragen. Bezüglich der mit der Rückwirkung in der Praxis verbundenen Fragestellungen vgl. § 138 BewG Rz. 25.11 ff.
Rz. 8.6
Zu weitergehenden Erläuterungen s. § 146 BewG Rz. 46.1 ff.