Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 46
Der unter Rz. 44 f. ermittelte Gebäudewert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ist nur anteilig, und zwar entsprechend dem Fertigstellungsgrad des im Bau befindlichen Gebäudes nach den Verhältnissen im Besteuerungszeitpunkt, anzusetzen. Der Fertigstellungsgrad berechnet sich nach den Vorgaben in § 149 Abs. 2 Satz 3 BewG nach dem Verhältnis der bis zum Besteuerungszeitpunkt angefallenen Herstellungskosten zu den gesamten Herstellungskosten im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes.
Rz. 47
Für die Ermittlung der gesamten Herstellungskosten kommt es zum einen darauf an, welche Herstellungskosten der Erblasser oder Schenker bis zum Besteuerungszeitpunkt an aufgewendet hat. Zum anderen ist von Bedeutung, welche Herstellungskosten bei den Erben oder Beschenkten nach dem Besteuerungszeitpunkt bis zur Bezugsfertigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteils anfallen. Letztere haben es in der Hand, die Höhe der gesamten Herstellungskosten zu beeinflussen, indem sie z.B. von der vorgesehenen Bauplanung abweichen und bei einem Einfamilienhaus zusätzlichen Wohnraum im Dachgeschoss schaffen, oder sich für eine höherwertige Ausstattung des Gebäudes entscheiden, z.B. für teurere Fliesen im Badezimmer, Parkettfußboden im Wohnzimmer usw. Da sich dies auch auf den Mietwert für das neu geschaffene Gebäude oder den neu geschaffenen Gebäudeteil auswirkt, kommt es regelmäßig z.B. bei einer höherwertigen Ausstattung zu einem höheren Grundstückswert nach Fertigstellung, multipliziert mit einem geringeren Fertigstellungsgrad, so dass im Ergebnis die neu geschaffene Bausubstanz im Besteuerungszeitpunkt zutreffend wiedergegeben wird. Dies gilt auch für den Fall des Dachgeschossausbaus, da sich ein solcher Ausbau über die größere Wohnfläche sowohl werterhöhend auf den Grundstückswert als auch auf die gesamten Herstellungskosten auswirkt.
Rz. 48
In diesem Zusammenhang bleibt die Frage zu klären, ob der Begriff der Herstellungskosten dem Ertragsteuerrecht entlehnt ist. Danach rechnen zu den Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und durch die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung entstanden sind (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Herstellungskosten setzen sich insbesondere aus den Einzelkosten, den Gemeinkosten und dem Wertverzehr zusammen. Die Kosten für die allgemeine Verwaltung können in die Herstellungskosten einbezogen werden, ebenso die Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung sowie für Zinsen auf Fremdkapital. Abbruchkosten gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude zum Zwecke des Abbruchs erworben hat oder wenn er das Gebäude vor dem Abbruch aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt hat, mit der Absicht, es dann abzubrechen. Der Wert der eigenen Arbeitsleistung ist nicht als Herstellungskosten eines Gebäudes anzusetzen.
Rz. 49
Die Finanzverwaltung folgt dem ertragsteuerlichen Herstellungsbegriff nicht uneingeschränkt. Die Auffassung der Finanzverwaltung, abweichend vom Ertragsteuerrecht, die Abbruchkosten nicht in die Herstellungskosten einzubeziehen, ist darauf zurückzuführen, dass bei der Ermittlung des Werts des Grund und Bodens von einem Grundstück nach Durchführung des Abbruchs ausgegangen wird. Damit haben sich die Abbruchkosten bereits werterhöhend in dem Wert für den Grund und Boden niedergeschlagen, wurden sie nunmehr auch in die Herstellungskosten einbezogen, käme es zu einer Doppelberücksichtigung, zum einen beim Grund und Boden und zum anderen bei der Bewertung der anteiligen Bausubstanz. Ein Anknüpfen an den ertragsteuerlichen Herstellungsbegriff wäre bei den Abbruchkosten nur dann zutreffend, wenn bei der Ermittlung des Werts des Grund und Bodens der Abbruch der Gebäude wertmindernd berücksichtigt würde. Dies sieht § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG nicht vor. Der Grundstückseigentümer wäre daher gezwungen, in diesen Fällen stets den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts über § 138 Abs. 4 BewG zu führen. Dies wird durch die bewertungsrechtliche Definition des Herstellungskostenbegriffs vermieden.
Rz. 50
Eine weitere Zweifelsfrage ergibt sich hinsichtlich der Erfassung von Eigenleistungen. Sie sind ertragsteuerlich nicht bei der Berechnung der Herstellungskosten zu berücksichtigen. Dagegen dürften sie bei der Frage nach dem Fertigstellungsgrad in den Aufteilungsschlüssel einzubeziehen sein. Hat z.B. der Erblasser die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen durch Dritte, insbesondere durch Unternehmer, ausführen lassen, stellt der Erbe dagegen das Gebäude weitestgehend in Eigenleistung fertig, würde dies, wenn die Eigenleistungen nicht bei der Ermittlung der Herstellungskosten berücksichtigt würden, zu einem Fertigstellungsgrad im Besteuerungszeitpunkt von fast 100 % führen. Die werterhöhenden Eigenleistungen des Erben würden damit in die Bemessungsgrundlage für das Grundstück im ...