Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 141
Der BFH hat mit Beschluss v. 22.7.2005 entschieden, dass ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück nicht weniger wert sei, als es dem rechnerischen Anteil am gemeinen Wert des gesamten Grundstücks entspricht.
Rz. 142
In dem Klageverfahren hatte die Klägerin im Jahr 2003 von ihrer Mutter den hälftigen Anteil an einem bebauten Grundstück im Wege der Schenkung unentgeltlich erworben. Der andere hälftige Anteil gehörte ihrem Vater. Das FA stellte den der Schenkungsteuer zugrunde zu legenden Wert des auf die Klägerin übertragenen Grundstücksanteils auf die Hälfte des durch Sachverständigengutachten nachgewiesenen gemeinen Werts des gesamten Grundstücks von 595 000 EUR mit 297 500 EUR fest. Die Antragstellerin wendete dagegen ein, dass der Wert ihrer Grundstückshälfte lediglich 250 000 EUR betrage. Sie stützte sich dabei auf ein Sachverständigengutachten, wonach der Verkehrswert einer Grundstückshälfte i.d.R. die Hälfte des Gesamtverkehrswerts unterschreite, da ein Erwerber nicht uneingeschränkt über das Gesamtobjekt verfügen könne. Die Argumentation ist zwar nachvollziehbar, weil ein fremder Dritter den hälftigen Anteil nur im Ausnahmefall erwerben würde. Dennoch lehnten FA und FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Der BFH bestätigte diese Entscheidungen.
Rz. 143
Der BFH führte aus, dass der Grundbesitzwert des zugewendeten ideellen Bruchteils an einem Grundstück ermittlungstechnisch über eine Bewertung des ganzen Grundstücks und eine Aufteilung des dabei ermittelten Werts nach den Eigentumsquoten festgestellt werde. Diese Bewertungsmethode gelte nicht nur, wenn das ganze Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG auf der Grundlage der von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte bewertet werde, sondern auch dann, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachgewiesen habe. Diese Vorschrift lasse nach ihrem Wortlaut nicht den zusätzlichen Nachweis zu, dass ein Miteigentumsanteil an einem so bewerteten Grundstück weniger wert sei als es dem rechnerischen Anteil am gemeinen Wert des gesamten Grundstücks entspreche. Sie könne auch nicht über den Wortlaut hinaus ausgelegt werden. Dem stehe § 9 Abs. 2 BewG entgegen. Da Verkäufe von einzelnen Miteigentumsanteilen unüblich seien, entsprächen sie nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr und könnten daher bei der Bewertung nach § 9 Abs. 2 BewG nicht berücksichtigt werden. Bei einer Veräußerung des Gesamtobjekts wirke sich das Bruchteilseigentum hingegen nicht negativ auf den erzielbaren Kaufpreis aus. Das sei für die Bewertung entscheidend.