Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 185
Der Wortlaut des § 147 Abs. 1 Satz 1 BewG spricht dafür, alle bebauten Grundstücke, die nicht vermietet sind und bei denen sich auch keine übliche Miete ermitteln lässt, unter Ansatz des Boden- und Gebäudewerts zu bewerten. Demnach könnte der Grundstückswert auch bei aufwändig gestalteten oder ausgestatteten Ein- und Zweifamilienhäusern nach dieser Vorschrift ermittelt werden, wenn eine übliche Miete für diese Gruppe von Wohngrundstücken nicht bestimmt werden kann. Die Finanzverwaltung hat sich in R 178 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003 dafür ausgesprochen, alle Wohngrundstücke, also auch aufwändig gestaltete oder ausgestattete Ein- und Zweifamilienhäuser, im Ertragswertverfahren zu bewerten.
Rz. 186
Für eine solche Gesetzesauslegung spricht die beispielhafte Aufzählung in § 147 Abs. 1 Satz 2 BewG sowie die Begründung im zweiten Bericht des Finanzausschusses. In R 178 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003 wird darauf hingewiesen, dass Wohngrundstücke, die aufwändig ausgestattet bzw. gestaltet sind, nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sind. Gegenüber der bisherigen Fassung des R 178 Abs. 2 Satz 1 in den ErbStR 1999 sind dort nicht nur Wohngebäude angesprochen, sondern Wohngrundstücke mit einer aufwändigen Gestaltung bzw. Ausstattung. Die neue Formulierung der ErbStR 2003 ist allgemeiner gefasst. Darunter fallen danach auch Wohngrundstücke, bei denen das Gebäude noch als normal gestaltet und ausgestattet anzusehen ist, das Grundstück wegen seiner parkähnlichen Anlage jedoch den Gesamteindruck eines aufwändig gestalteten Wohngrundstücks vermittelt.
Rz. 187
An dieser Auffassung hat die Finanzverwaltung festgehalten. Danach sind Wohngrundstücke, die aufwändig ausgestattet bzw. gestaltet sind, nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten. Diese Entscheidung ist in der Praxis problematisch, weil dies – Eigennutzung des Wohngrundstücks vorausgesetzt – regelmäßig die Ermittlung einer üblichen Miete erfordert. Gerade diese Ermittlung ist in tatsächlicher Hinsicht jedoch häufig nicht möglich. Die allgemeinen Mietpreisspiegel dürften keinerlei Mietbeträge für aufwändig ausgestattet oder gestaltete Wohngrundstücke ausweisen, weil derartige Grundstücke im Allgemeinen auf dem örtlichen Mietmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die Erstellung eines individuellen Mietgutachtens durch einen Sachverständigen dürfte ebenfalls im Allgemeinen ausscheiden, weil aufwändig ausgestattet oder gestaltete Wohngrundstücke regelmäßig nicht zur Renditeerzielung errichtet werden, sondern reine Sachwertobjekte sind.
Rz. 188
Sofern im Einzelfall in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass eine übliche Miete nicht zu ermitteln ist und somit der Ertrag als unverzichtbare Komponente des Ertragswertverfahrens nicht verfügbar ist, könnte man von der Konzeption des Bewertungsgesetzes die Anwendung des Auffangverfahrens – also des Bilanzwertverfahrens – erwarten. Der Wortlaut des § 147 BewG würde diese Erwartung m.E. decken. Dem steht m.E. auch nicht die Aufzählung bestimmter Grundstückstypen entgegen. Denn § 147 Abs. 1 Satz 2 BewG verlangt die Anwendung des Bilanzwertverfahrens lediglich "insbesondere", wenn die Gebäude zur Durchführung bestimmter Fertigungsverfahren, zu Spezialnutzungen oder zur Aufnahme bestimmter technischer Einrichtungen errichtet worden sind und nicht oder nur mit erheblichem Aufwand für andere Zwecke nutzbar gemacht werden können. Dass das Bilanzverfahren ausschließlich in diesen beispielhaft aufgeführten Fällen angewendet werden darf, ist aus dem Wortlaut des § 147 BewG nicht zwingend abzuleiten.
Rz. 189
Dennoch verlangt die Finanzverwaltung die Bewertung von aufwändig ausgestatteten oder gestalteten Einfamilienhäusern im Ertragswertverfahren und fordert den Ansatz einer üblichen Miete, die – wie vorstehend erläutert – nicht ermittelt werden kann. In der Praxis muss also davon ausgegangen werden, dass sich die Finanzverwaltung mit dem Steuerzahler auf den Ansatz einer geschätzten üblichen Miete verständigen muss. Vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltung nach Rz. 51 Abs. 7 der gleich lautenden Erlasse v. 2.4.2007 vorschreibt, die besondere Ausstattung oder Gestaltung des Grundstücks bei der Schätzung der üblichen Miete "angemessen" zu berücksichtigen, lässt auf einen hohen Mietansatz schließen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie Finanzverwaltung erhebliche Schätzungszuschläge ansetzen wird und Zuschläge von 50 % zu regional üblichen Höchstmiete nicht unterschreiten wird.
Rz. 190
Daher ist es nicht überraschend, dass auch eigengenutzte Wohngrundstücke, die im Beitrittsgebiet vor dem 3.10.1990 fertiggestellt worden sind und für die es aufgrund der Mietbestimmungen bis Ende 1997 keine übliche Miete für freifinanzierten Wohnraum gibt, nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht nach § 147 BewG, sondern nach § 146 BewG im Ertragswertverfahren bewertet werden. Der vorstehende Hinweis auf die Bewertung eigengenutzter Wohngrundstücke im Beitr...