Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 430
Der in § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG definierte Mindestwert entspricht nicht dem Liquidationswert, der bei der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung als niedrigster Wertansatz dankbar ist. Der Liquidationswert ist der Zerschlagungswert, der als Barwert der erzielbaren Nettoerlöse abzüglich Schulden und Liquidationskosten zu ermitteln ist. Der als Mindestwert vorgesehene Substanzwert des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ist dagegen nicht als Barwert zu ermitteln und ergibt sich schematisch als Differenz der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge.
Rz. 431
An dieser Regelung gab es bereits im Gesetzgebungsverfahren Kritik, weil die schematische Untergrenze nicht den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten einer Unternehmensbewertung Rechnung trägt. Dennoch ist der Gesetzgeber nicht auf die Kritik eingegangen. Die dafür ausschlaggebenden Gründe mögen pragmatisch gewesen sein. Im Ergebnis erscheint es jedoch überzeugend, wenn der Gesetzgeber darauf verzichtet, bei jeglicher Bewertung die Berechnung eines Liquidationswertes zu fordern, selbst dann, wenn die Liquidation überhaupt nicht in Erwägung gezogen wird. Der Ansatz des Liquidationswerts als Mindestwert würde voraussetzen, dass bei jeder Bewertung in aufwendiger Weise Liquidationskosten zu ermitteln wären, in die auch die Kosten eines fiktiven Sozialplans einzubeziehen wären. Die Realisierung des Ansatzes des Liquidationswertes erschiene in der ganz überwiegenden Anzahl der Bewertungsfälle, bei denen die Fortführung – und eben nicht die Liquidation – des Gewerbebetriebs die unverzichtbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme der umfassenden Verschonungsregelungen des § 13a ErbStG ist, völlig überzogen.
Rz. 432
Dies erscheint nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass der Substanzwert nur in Ausnahmefällen anzusetzen ist, weil die ertragsabhängige Bewertung im Allgemeinen zu höheren Ergebnissen führt.
Rz. 433
Die Gesetzesbegründung führt hierzu Folgendes aus:
"Untergrenze ist stets der Substanzwert als Mindestwert, den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte. Steht fest, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll, ist der Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts die Untergrenze. Die Definition des Substanzwerts entspricht inhaltlich den Grundsätzen der bisherigen §§ 98a und 103 BewG."
Rz. 434
Daraus kann abgeleitet werden, dass bei der Bewertung von Anteilen an einer Gesellschaft, die sich in Liquidation befindet, der Liquidationswert angesetzt werden kann, der sich nach den allgemeinen Grundsätzen der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung ergibt. Damit wären auch Liquidationskosten bei der Ermittlung des Mindestwerts abzugsfähig. Der Liquidationswert kann somit in den Fällen der feststehenden Liquidation besonderer Ausprägung des Substanzwerts angesetzt werden. Dementsprechend enthält R B 11.3 Abs. 9 ErbStR 2011 die Regelung, dass bei Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften, die sich in Liquidation befinden, keine Bedenken bestehen, den Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts (einschließlich der Liquidationskosten, die beispielsweise für einen Sozialplan anfallen) anzusetzen.
Rz. 435– 438
Einstweilen frei.