Hans-Werner Högl, Friedemann Kirschstein
Rz. 190
Während § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG den Abzug von Schulden ausschließt, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht der Besteuerung unterliegendem Vermögen stehen, sieht § 10 Abs. 6 Sätze 3 bis 10 ErbStG bei teilweise befreitem Vermögen einen Schuldenabzug nur in dem Umfang vor, wie das erworbene Vermögen steuerpflichtig ist. Damit entspricht die Vorschrift dem Rechtsgedanken des § 3c Abs. 2 und 3 EStG.
Rz. 191
Die Vorschriften über den teilweisen Schuldenabzug wurden durch das Jahressteuergesetz 2020 umfangreich geändert und erweitert. Hintergrund ist die Rechtsprechung des BFH vom 22.7.2015. In den beiden Urteilen hatte der BFH den wirtschaftlichen Zusammenhang von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen sowie von Zahlungsverpflichtungen aus einem Untervermächtnis zu teilweise befreitem Vermögen verneint. Diese Rechtsprechung führte dazu, dass der unbeschränkte Abzug der angesprochenen Schulden und Lasten zugelassen wurde, obgleich zum Nachlass ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände gehörten.
Rz. 192
Der BFH hatte in den jeweiligen Urteilsbegründungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung des Schuldenabzugs hätte anordnen können und müssen, wenn diese gesetzlich gewollt sei. Bisher gab es einen anteiligen Schuldenabzug nach Satz 4 der Vorschrift nur bei nach § 13a und § 13c ErbStG begünstigtem Produktivvermögen. Deshalb sah der Gesetzgeber einen entsprechenden Regelungsbedarf und hat mit der Gesetzesänderung den seines Erachtens ungerechtfertigten doppelten Vorteil der Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung einerseits und einem zusätzlichen ungekürzten Schuldenabzug andererseits abgeschafft.
Rz. 193
Die Sätze 3 und 4 regeln wie bisher die Fälle, in denen Schulden und Lasten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit teilweise befreitem Vermögen stehen. Die neuen Sätze 5 bis 10 nehmen die Rechtsprechung des BFH auf und geben das Berechnungsschema für die Ermittlung des zulässigen Abzugs derjenigen Schulden und Lasten vor, die mit keinem Vermögen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, insbesondere Pflichtteilsansprüche, Zugewinnausgleichsforderungen, Vermächtnislasten und Konsumentendarlehen oder Steuerschulden. Durch die Gesetzesänderung wurde nunmehr festgelegt, wie diese Schulden und Lasten auf voll umfänglich steuerbefreites, teilweise steuerbefreites und in vollem Umfang steuerpflichtiges Vermögen aufzuteilen sind und hat dabei ein Rangverhältnis der wirtschaftlich direkt zuzurechnenden Schulden und Lasten zu den nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang zu einzelnen Vermögensgegenständen stehendem Vermögen bestimmt. Rechnerisch wird der Umfang der insgesamt abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten als Summe der ungekürzten und der nach Kürzung verbleibenden Schulden ermittelt. Satz 3 wurde zwar neu formuliert. Eine Änderung der bisherigen Regelung ist damit aber nicht verbunden. Während die alte Vorschrift positiv formulierte, in welcher Höhe Schulden bei einer teilweisen Steuerbefreiung anteilig abzugsfähig sind, wird nunmehr negativ formuliert, in welcher Höhe die Schulden anteilig nicht abzugsfähig sind.
Rz. 194
Hinsichtlich der Schulden und Lasten unterscheidet die Vorschriften solche, die mit einzelnen Vermögensgegenständen des Erwerbs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Sätze 3 und 4) und solche, die nicht in wirtschaftlichem mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen (Sätze 5 bis 10). Innerhalb der ersten Gruppe muss wiederum wie folgt unterschieden werden:
Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit in vollem Umfang steuerpflichtigen Vermögen, beispielsweise Schulden, die zur Finanzierung eines Wertpapierdepots oder im Zusammenhang mit einer nicht zu Wohnzwecken fremdvermieteten Immobilie aufgenommen wurden, sind in vollem Umfang abzugsfähig, § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG Umkehrschluss, während Schulden und Lasten im wirtschaftlichen Zusammenhang mit zu 100 % steuerbefreitem Vermögen (s. Rz. 175) nicht abzugsfähig sind, § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG.
Stehen Schulden und Lasten im wirtschaftlichen Zusammenhang mit teilweise steuerpflichtigem Vermögen – mit Ausnahme von Produktivvermögen –, sind diese Verbindlichkeiten nur anteilig ("soweit") in Höhe des steuerpflichtigen Teils dieses Vermögens abzugsfähig, § 13 Abs. 6 Satz 3 ErbStG. Das Erbschaftsteuerrecht sieht teilweise Steuerbefreiungen in unterschiedlicher Höhe vor, etwa i.H.v. 10 % (§ 13d Abs. 1 ErbStG) oder 60 % bzw. 85 % nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a ErbStG. Nachlassverbindlichkeiten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Finanzierung von nach §§ 13a, 13c ErbStG begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften sind nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG nur in dem Verhältnis abzugsfähig, wie der Wert des Vermögens nach Anwendung der Steuervergünstigung zum Wert vor Berücksichtigung der Begünstigungsvorschriften steht, § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG.
Schulden und Lasten, die in keinem wirtschaftlichen Zusam...