Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
a) Grundsatz
Rz. 610
Der gemeine Wert eines Anteils entspricht dem Betrag, den ein Käufer für den Erwerb aufwenden würde. Er wird die auf den Anteil entfallenden Erträge der Gesellschaft mit den Zinsen vergleichen, die das für den Erwerb notwendige Kapital erbringen würde, wenn er dieses Kapital in anderer Weise anlegt. Einen Betrag über dem Vermögenswert wird er nur zahlen, wenn die Erträge des Anteils innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die Zinsen für eine anderweitige Kapitalanlage übersteigen. Bleiben die Erträge unter diesen Zinsen, so wird er nur einen Betrag zahlen, der unter dem Vermögenswert liegt. Nach R 100 Abs. 1 ErbStR 2003 ist davon auszugehen, dass eine andere Kapitalanlage als der Kauf des Anteils eine Verzinsung von 9 % erbringen würde. Als überschaubarer Zeitraum wird eine Zeit von fünf Jahren (vor 1974 nur drei Jahre) angenommen. Damit ergibt sich der gemeine Wert der Anteile aufgrund folgender Gleichung:
Zur Vereinfachung wird der Prozentsatz auf 68 aufgerundet (R 100 Abs. 2 ErbStR 2003).
Folglich gilt die nachstehende Formel für das Stuttgarter Verfahren:
X = 68 % (V + SE)
H 100 Abs. 2 ErbStH 2003 veranschaulicht die Ermittlung des gemeinen Werts an folgendem Berechnungsbeispiel:
Stammkapital |
90 000 EUR |
Vermögen |
120 000 EUR |
|
133,33 % |
Jahresertrag |
9 000 EUR |
|
10 % |
|
abgerundet |
124 % |
Rz. 611
Einstweilen frei.
b) Zuschläge und Abschläge
aa) Abschlag bei unverhältnismäßig geringen Erträgen (kapitalintensive Unternehmen)
Rz. 612
Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die in dem ermittelten Anteilswert nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen sind, so können diese durch Abschläge und Zuschläge berücksichtigt werden (R 100 Abs. 3 ErbStR 2003). Im Allgemeinen kommen Abschläge in Betracht. Als einen besonderen Umstand für einen Abschlag führen die Erbschaftsteuer-Richtlinien Gesellschaften an, bei denen "nachhaltig unverhältnismäßig geringe Erträge einem großen Vermögen gegenüberstehen". Es handelt sich hier um die kapitalintensiven Unternehmen. Unverhältnismäßig geringe Erträge sind anzunehmen, wenn die Rendite, d.h. das Verhältnis vom Ertragswert zum Vermögenswert, weniger als 4,5 % ausmacht. Die Grenze von 4,5 % ergibt sich daraus, dass bei der Ermittlung des gemeinen Werts eine Normalrendite unterstellt wird und der Abschlag erst gewährt werden soll, wenn die tatsächliche Rendite unter der Hälfte der Normalrendite von 9 % liegt (R 100 Abs. 3 ErbStR 2003; zur Bewertung ertragsschwacher Unternehmen s. auch Peemöller/Bömelburg. Der Abschlag beträgt jeweils 3 % für eine Renditeminderung von 0,45 %. Beträgt z.B. der Ertragshundertsatz 4 % und der Vermögenswert 250 %, entspricht dies einer Rendite (Verhältnis des Ertragshundertsatzes zum Vermögenswert) von
Bei einer Rendite von 1,6 % ergibt sich nach der in R 100 Abs. 3 ErbStR 2003 enthaltenen, nachstehend wiedergegebenen Tabelle ein Abschlag von 21 % auf den zunächst errechneten Wert.
Bei einer Rendite |
Abschlag in % |
unter 4,50 % bis 4,05 % |
3 |
unter 4,05 % bis 3,60 % |
6 |
unter 3,60 % bis 3,15 % |
9 |
unter 3,15 % bis 2,70 % |
12 |
unter 2,70 % bis 2,25 % |
15 |
unter 2,25 % bis 1,80 % |
18 |
unter 1,80 % bis 1,35 % |
21 |
unter 1,35 % bis 0,90 % |
24 |
unter 0,90 % bis 0,45 % |
27 |
unter 0,45 % |
30 |
Rz. 613
Bei einem Ertragshundertsatz von 0 % – ein solcher wird auch bei einem Verlust angesetzt – beträgt der gemeine Wert der Anteile nicht 68 %, sondern nur 47,6 % des Vermögenswerts, der auf 47 % abzurunden ist.
Rz. 614
Bei der Entscheidung darüber, ob ein Abschlag wegen nachhaltig geringer Erträge zu gewähren ist, sind die Erträge aus Beteiligungen zu berücksichtigen, denn, so führt die BFH-Entscheidung vom 23.7.1981 aus, "ein Erwerber der Anteile wird auf die nachhaltige Gesamtverzinsung des von ihm für den Erwerb aufgewendeten Kapitals abstellen. Dabei wird ihm i.d.R. gleichgültig sein, ob und in welchem Umfang das Betriebsergebnis auf eigener gewerblicher Tätigkeit der Gesellschaft beruht oder auf Beteiligungserträge zurückgeht."
bb) Unterkapitalisierte Gesellschaften
Rz. 615
Unterkapitalisiert ist eine Gesellschaft, wenn ihr Nennkapital in einem Missverhältnis zu ihrem Vermögen steht. Bei einer Unterkapitalisierung kann sich ein verhältnismäßig sehr hoher gemeiner Wert ergeben. Dieser Umstand rechtfertigt für sich allein keinen Abschlag.
Rz. 616
Einstweilen frei.
cc) Schwere Verkäuflichkeit der Anteile
Rz. 617
Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse können den gemeinen Wert nicht beeinflussen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Deshalb müssen bei der Anteilsbewertung solche Umstände außer Betracht bleiben, die auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen. So wird die schwere Verkäuflichkeit der Anteile und die Zusammenfassung aller oder mehrerer Anteile in einer Hand i.d.R. auf persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen und nicht ohne weiteres einen Abschlag rechtfertigen (R 100 Abs. 4...