Rz. 1
Die durch das ErbStRG vom 24.12.2008 geänderte Vorschrift stellt die Verbindung zum ebenfalls mit Wirkung ab dem 1.1.2009 geänderten Bewertungsgesetz her. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird so das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz von Einzelregelungen zur Bewertung entlastet. Soweit nach §§ 151 ff. BewG gesonderte Feststellungen erfolgen, kann auf diese für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke zurückgegriffen werden. Die Vorschrift hat im Erbschaftsteuerrecht eine zentrale Bedeutung, weil die Höhe der Steuerbelastung unmittelbar von dem maßgebenden Wert der Bereicherung abhängt. Die Bereicherung des Erwerbers wiederum wird, soweit sie steuerpflichtig ist, nach Maßgabe des § 12 ErbStG bewertet.
Rz. 2
§ 12 ErbStG verweist in Absatz 1 auf den "Ersten Teil des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften)" sowie in Absatz 7 auf § 31 BewG. Für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Absatz 2), Grundbesitz (Absatz 3), inländisches Betriebsvermögen (Absatz 5) und Schulden (Absatz 6) wird auf die im BewG angesiedelte zentrale Verfahrensvorschrift § 151 BewG verwiesen. Für die folgenden Erläuterungen des § 12 ErbStG bedeutet dies, dass sie kürzer ausfallen können, weil die entsprechenden Vorschriften im Bewertungsgesetz bereits ausführlich kommentiert sind.
Rz. 3
Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens wird in § 12 ErbStG nicht unmittelbar angesprochen. Allerdings wird für land- und forstwirtschaftliches Vermögen durch die Verweisungskette § 12 Abs. 3 ErbStG, § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG und § 157 Abs. 2 BewG klargestellt, dass hierfür ein Grundbesitzwert gesondert (und ggf. einheitlich) nach Maßgabe der §§ 158–175 BewG festzustellen ist. Im Rahmen der gesonderten Feststellung sind die Werte für den Wirtschaftsteil, für die Betriebswohnungen und den Wohnteil jeweils nachrichtlich im Feststellungsbescheid auszuweisen.
Da § 12 Abs. 3 ErbStG zur Definition des Begriffs "Grundbesitz" auf § 19 Abs. 1 BewG verweist (s. Rz. 40), gehören zu den verschiedenen Arten von "Grundbesitz" neben den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft sowie Grundstücken auch die Betriebsgrundstücke. Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Betriebsvermögen richtet sich nach den ertragsteuerrechtlichen Regelungen. Ist bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens der Grundbesitzwert (bereits) berücksichtigt, erfolgt kein gesonderter Ansatz. Wenn das Grundstück oder der Grundstücksteil (ausnahmsweise) gesondert anzusetzen ist (Substanzwertverfahren, Ansatz als Sonderbetriebsvermögen oder junges Betriebsvermögen), ist der gemeine Wert zu berücksichtigen, soweit er auf den betrieblichen Teil entfällt. Auch diese Abgrenzung hat nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen.
Rz. 4
Aus § 12 ErbStG als Vorschrift für die Bewertung im engeren Sinne folgt, wenn im ErbStG vom "Wert" nach dem ErbStG gesprochen wird oder auf den nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen ermittelten Wert Bezug genommen wird, dass dann der Wert – ausschließlich nach § 12 ErbStG ermittelt – vor Abzug von Freibeträgen und Wertabschlägen gemeint ist.
Rz. 5
Der Bewertung eines Vermächtnisses gemäß § 12 ErbStG hat die Bestimmung dessen vorauszugehen, was der Bedachte "durch Vermächtnis" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) mit dem Tod des Erblassers erworben hat. Dies ist Gegenstand des Vermächtnisses und nicht dasjenige, was er "aufgrund" des Vermächtnisses, d.h. zu dessen Erfüllung, letztlich erhält. So handelt es sich z.B. bei einem durch letztwillige Verfügung vermachten Übernahmerecht um ein Gestaltungsrecht, das es dem Bedachten ermöglicht, einen (schuldrechtlichen) Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes, wie er sich im Nachlass befindet, gegen Zahlung des vom Erblasser festgelegten Preises zu begründen. Für die Bewertung folgt daraus, dass das Übernahmerecht nicht mit dem Steuerwert (Einheitswert) für den Gegenstand, auf den es sich bezieht, angesetzt werden kann, sondern nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist.
Rz. 5a
Für die Beurteilung der Frage, was Gegenstand der Schenkung ist, ist nicht auf den Willen der Vertragsparteien, sondern auf die tatsächliche Vertragsgestaltung abzustellen. Entscheidend ist allerdings, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker – endgültig – tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG anknüpft. Ein nicht ausgeführter Wille ist für die Erhebung der Schenkungsteuer unerheblich.