Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
I. Regelungsgegenstand und -zweck
Rz. 1
§ 21 GrStG enthält zwei verfahrensrechtliche Grundaussagen zum Messbetragsverfahren, die vergleichbar mit dem Regelungsgehalt des bis zum 31.12.2024 geltenden § 24a BewG und dem ab 1.1.2025 geltenden § 225 BewG sind. Die Norm ist Ausfluss des dreigeteilten Besteuerungsverfahrens, das von der Festsetzung des Maßstabswerts über das Messbetragsverfahren bis zur Grundsteuererhebung durch die hebeberechtigte Gemeinde reicht. Trotz der verfahrensmäßigen Teilung muss eine Korrespondenz zwischen den bewertungsrechtlichen Normen und den Normen des GrStG bestehen.
Rz. 2
Einerseits können Steuermessbescheide schon vor dem maßgebenden Veranlagungszeitpunkt erteilt werden, wenn es sich um Neuveranlagungen oder Nachveranlagungen handelt. Die vorzeitige Erteilung und die vorzeitige Bekanntgabe von Steuermessbescheiden liegen sowohl im Interesse der Grundstückseigentümer, die die geänderte Grundsteuerbelastung auf die Mieter umlegen möchten, als auch der Steuergläubiger, die ihrerseits zeitnah Steuerbescheide erteilen können. Zum anderen bestimmt Satz 2 der Norm, dass solche Steuermessbescheide zu ändern oder aufzuheben sind, wenn sich bis zu diesem Zeitpunkt Änderungen ergeben, die zu einer abweichenden Festsetzung führen. Haben sich nach der Bescheiderteilung Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse ergeben, so besteht hiermit eine Korrekturvorschrift, die auch Änderungen bestandskräftiger Bescheide ermöglicht.
Rz. 3
Die Regelung stellt eine Parallelvorschrift zu § 24a BewG (ab 1.1.2025: § 225 BewG) dar. Die bewertungsrechtlichen Normen betreffen Fortschreibungen und Nachfeststellungen des Einheitswerts oder Grundsteuerwerts. Wird der Bescheid über den Maßstabswert geändert oder aufgehoben, so folgt automatisch eine Korrektur des Steuermessbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO. § 21 GrStG ist hingegen von der Feststellung von Maßstabswerten unabhängig. Regelungsbedarf besteht bei Fällen, bei denen eine Grundsteuerbefreiung eintritt oder wegfällt, die zu keiner Änderung des Maßstabswerts führt. Schneider verweist auf die Steuerbegünstigung für abgefundene Kriegsbeschädigte nach § 36 GrStG.
II. Verfahrensgrundsätze
1. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 4
Die Finanzbehörden der Länder sind für die Feststellung der Grundbesitzwerte und für die Steuermessbetragsfeststellung zuständig. Ermittlung und Festsetzung der Steuermessbeträge wie deren Aufhebung obliegen dem Lagefinanzamt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 AO, § 18 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die vorzeitige Erteilung von Neu- oder Nachveranlagungsbescheiden erfolgt von Amts wegen. Sie steht im Ermessen der Finanzbehörde. Ermessensfehler dürften aufgrund der für die Beteiligten sinnvollen Erteilung vorzeitiger Bescheide selten sein. Änderungen oder Aufhebungen von vorzeitig erteilten Neu- oder Nachveranlagungsbescheiden sind von der Finanzbehörde durchzuführen. Hier besteht kein behördliches Ermessen.
2. Amtsermittlung
Rz. 5
§ 21 GrStG ist Teil des grundsteuerrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Neu- oder Nachveranlagungsbescheide sind von Amts wegen vorzeitig zu erteilen. Sie sind auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit zu ändern, wenn sie schon vor dem maßgebenden Veranlagungszeitpunkt erteilt worden sind und sich zwischen Bekanntgabe des Bescheids und dem Veranlagungszeitpunkt Änderungen ergeben haben, die zu einer abweichenden Messbetragsfestsetzung führen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm sind nicht ersichtlich.
III. Rechtsentwicklung
Rz. 6
§ 21 GrStG ist mit dem Gesetz zur Reform der Grundsteuer vom 7.8.1973 entstanden. Davor erfolgte die Änderung von Steuermessbescheiden ausschließlich nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung. In der Entwurfsbegründung wird die Parallele zur Änderung vorzeitig erteilter Feststellungsbescheide nach § 24a BewG aufgezeigt. Andererseits wird begründet, dass eine entsprechende Regelung im GrStG erforderlich ist, um Fallkonstellationen abzudecken, über die im Steuermessbetragsv...