I. Rechtsentwicklung und Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
§ 109 BewG in der bis 1973 geltenden Fassung ist auf die früheren § 31 RBewG 1925, § 50 RBewG 1931 und § 66 RBewG 1934 zurückzuführen. Nach den §§ 31 RBewG 1925 und 50 RBewG 1931 erfolgte seinerzeit die Bewertung des Betriebsvermögens grundsätzlich mit den gemeinen Werten (vgl. § 31 RBewG 1925 i.V.m. §§ 137 Abs. 1, 138 RAO, § 50 Abs. 1 RBewG 1931). Seit dem Inkrafttreten des RBewG 1934 waren die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter in der Regel mit dem Teilwert anzusetzen (§ 66 Abs. 1 RBewG 1934). Eine Ausnahme galt für Betriebsgrundstücke und Mineralgewinnungsrechte, die mit ihren Einheitswerten anzusetzen waren (§ 66 Abs. 2 und 4 RBewG 1934), sowie für Wertpapiere, Anteile und Genussrechte an Kapitalgesellschaften, die mit ihren Kurswerten bzw. Rücknahmepreisen erfasst wurden (§ 66 Abs. 3 i.V.m. § 70 RBewG 1934).
Rz. 2
Durch Art. 2 des Vermögensteuerreformgesetzes 1974 hatte § 109 BewG mit Wirkung vom 1.1.1974 an eine Neufassung erhalten, die erstmals eine Tendenz erkennen ließ, die bewertungsrechtliche Behandlung des Betriebsvermögens mit den ertragsteuerlichen Bewertungsvorschriften zu koordinieren. Das geschah seinerzeit vornehmlich in Verbindung mit dem zum selben Zeitpunkt neu in das Gesetz eingefügten § 103a BewG a.F., in dem – zunächst auf die Rückstellungen für Preisnachlässe und für Wechselhaftung beschränkt – ein Abzug wie bei den Ertragsteuern zugelassen wurde.
Rz. 3
Das Steueränderungsgesetz 1992 erhob die Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte bzw. der ertragsteuerlichen Werte zum allgemeinen Grundsatz für die Bewertung des Betriebsvermögens. Die Folge war eine wesentliche Vereinfachung für die Verwaltung und für die Steuerpflichtigen und – vom damaligen Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt – eine ins Gewicht fallende Steuerentlastung, über deren unterschiedliche Auswirkungen man im Einzelnen freilich geteilter Meinung sein konnte (vgl. § 10 BewG Rz. 37 ff.).
Das StandOG v. 13.9.1993 stellte klar, dass sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte auch auf die sonstigen aktiven Ansätze, Schulden und sonstigen passiven Ansätze erstrecken sollte.
Rz. 4
Die Übernahme der Steuerbilanzwerte (ertragsteuerlichen Wertansätze) in die Vermögensaufstellung hatte zur Folge, dass die in den Buchwertansätzen der einzelnen Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz ruhenden stillen Reserven nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterworfen wurden. Dieser Effekt war nach dem Beschluss des BVerfG v. 7.11.2006 nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dort führte das BVerfG u.a. aus, es fehle beim Betriebsvermögen an einer folgerichtigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung auf der Bewertungsebene. Die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte verhindere strukturell eine Annäherung an den gemeinen Wert. Die Steuerbilanzwerte stimmten nur ausnahmsweise mit dem jeweiligen Teilwert (§ 10 Satz 2 BewG) überein. So könnten durch bilanzpolitische Maßnahmen wie z.B. die Wahl von degressiver oder linearer AfA, Sofortabschreibungen oder erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie auch durch spätere Wertsteigerungen stille Reserven gebildet werden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt würden. Geldschulden seien hingegen mit dem i.d.R. dem Nennbetrag entsprechenden Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Darüber hinaus biete sich bilanzierenden Gewerbetreibenden die Möglichkeit, Betriebsvermögen in weitem Umfang zu willküren, also auch nicht unmittelbar dem Betrieb dienende, sondern nur zur objektiven Stärkung des Betriebskapitals geeignete Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen aufzunehmen. Zudem bestimmten § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG ein Aktivierungsverbot für immaterielle Wirtschaftsgüter, wenn sie nicht entgeltlich erworben worden seien. Deshalb flössen diese in die erbschaftsteuerliche Bewertung nicht ein. Das habe regelmäßig zur Konsequenz, dass der Steuerwert gerade von ertragsstarken Unternehmen weit hinter dem gemeinen Wert zurückbleibe. Die (unentgeltlichen) Erwerber von Betriebsvermögen profitierten auch im Übrigen vom Steuerbilanzansatz in ganz unterschiedlichem Umfang, je nachdem, inwieweit das Unternehmen wirtschaftlich und faktisch vor der Übertragung in der Lage gewesen sei, von bilanzpolitischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Zudem könne ein tatsächlich noch werthaltiges Wirtschaftsgut je nach der seit seiner Anschaffung oder Herstellung verstrichenen Zeit in mehr oder weniger großem Umfang abgeschrieben sein. Die durch den Steuerbilanzansatz erzielte Begünstigungswirkung bewirke deshalb keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steuerentlastung, sondern trete völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Sie führe damit zu verfassungswidrigen Besteuerungsergebnissen.
Rz. 5
Gleichwohl nahm das BVerfG den beschriebenen verfassungswidrigen Zustand für die Vergangenheit und eine Übergangszeit noch hin. Es räumte dem Gesetzgeber zur Schaffung einer ve...