Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Inhalt der Vorschrift
Rz. 1
§ 189 BewG enthält die verfahrenstechnischen Regelungen zum typisierten Sachwertverfahren der Grundbesitzbewertung. Die Vorschrift ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 in das BewG eingefügt worden.
Rz. 1.1
Durch Art. 19 JStG 2022 wurde die Norm angepasst und die Aussage zur Erfassung der Werteinflüsse der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen von § 189 Abs. 1 Satz 2 Abs. 3 BewG in den neuen § 189 Abs. 4 BewG überführt. Die Änderungen gelten gemäß § 265 Abs. 14 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023.
Rz. 2
Das Sachwertverfahren kommt bei Grundstücken in Betracht, bei denen es für die Werteinschätzung am Immobilienmarkt nicht vorrangig auf den Ertrag ankommt, sondern bei denen die Herstellungskosten bzw. Ersatzbeschaffungskosten Wert bestimmend sind. Dieses Wertermittlungsverfahren kommt somit insbesondere bei Grundstücken zur Anwendung, die grundsätzlich der Eigennutzung – und damit weniger der Renditeerzielung – dienen (z.B. bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern oder bei zu eigenen gewerblichen oder freiberuflich Zwecken genutzten Grundstücken; vgl. dazu Rz. 3 ff.). Die Eigennutzung ist jedoch nicht Voraussetzung für die Anwendung des Sachwertverfahrens.
II. Anwendungsbereich
Rz. 3
Das Sachwertverfahren ist nach § 182 Abs. 4 BewG bei den folgenden Grundstücksarten anzuwenden:
- Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser, wenn für diese Grundstücke kein Vergleichswert i.S.d. § 183 BewG vorliegt;
- Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete nach § 186 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht ermitteln lässt, und die daher nicht im typisierten Ertragswertverfahren bewertet werden können;
- stets bei den sonstigen bebauten Grundstücken.
Vgl. bezüglich der Definition der Grundstücksarten die Kommentierung zu § 181 BewG.
Rz. 4
Bei Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäusern ist die Bewertung nach dem Sachwertverfahren davon abhängig, ob Vergleichswerte in Form von Vergleichspreisen oder Vergleichsfaktoren vorliegen, d.h. ob das vorrangige Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG anzuwenden ist. Sofern dies nicht der Fall ist, erfolgt die Bewertung dieser Grundstücksarten im nachrangigen Sachwertverfahren (Auffangverfahren). Sofern Vergleichswerte vom örtlichen Gutachterausschuss bereitgestellt werden, können diese z.B. dem jeweiligen Grundstücksmarktbericht entnommen werden.
Rz. 5
Die Bewertung der Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzten Grundstücke im Sachwertverfahren ist ebenfalls davon abhängig, ob das vorrangige Verfahren – in diesem Fall das Ertragsverfahren (§§ 184 ff. BewG) – anzuwenden ist. Nur wenn sich für diese Grundstücksarten keine übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermitteln lässt, kommt die Bewertung im nachrangigen Sachwertverfahren in Betracht (Auffangverfahren). Die übliche Miete kann ggf. aus dem örtlichen Mietspiegel, dem Grundstücksmarktbericht oder der tatsächlichen Miete vergleichbarer Grundstücke abgeleitet werden. Denkbar ist auch, die übliche Miete durch ein Mietgutachten nachzuweisen (R B 182 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019).
Rz. 5.1
In der Praxis stellt sich bei einzelnen Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken gelegentlich die Frage nach dem maßgeblichen Bewertungsverfahren. So kann u.E. beispielsweise bei einem Einkaufszentrum grds. davon ausgegangen werden, dass eine übliche Miete ermittelbar und in der Folge das Geschäftsgrundstück im Ertragswertverfahren zu bewerten ist. In besonderen ländlichen Regionen kann im Einzelfall aber auch das Sachwertverfahren in Betracht kommen, insbesondere wenn keine vergleichbaren Einkaufszentren in räumlicher Nähe vorhanden sind und sich die übliche Miete weder aus Vergleichsobjekten noch aus örtlichen Mietspiegeln (z.B. IHK-Mietspiegel) ermitteln lässt. Nicht ausreichend für die Anwendung des Sachwertverfahrens dürfte jedoch sein, wenn die Ermittlung der üblichen Miete lediglich problematisch erscheint. Bei Einkaufszentren kann es u.E. zudem sachgerecht sein, ausgehend von einer Gesamtbetrachtung des vorhandenen Branchen- und Mietermixes, die üblichen Mieten der einzelnen Gewerbe- bzw. Nutzungseinheiten in dem Einkaufszentrum aus einem Vergleich mit den jeweiligen lage- und branchenüblichen Mieten abzuleiten. In diesem Fall wäre es nicht erforderlich, dass eine übliche Miete für ein vergleichbares Einkaufszentrum als Gesamtobjekt ermittelt werden kann.
Rz. 5.2
Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 7.12.2020 entschieden, dass das Ertragswertverfahren und nicht das Sachwertverfahren h...