Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 80
Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Wertfortschreibung stattfindet, sind im § 22 Abs. 1 BewG enthalten. Danach hängt die Wertfortschreibung eines Einheitswerts davon ab, ob der Wert, der sich für den Beginn des Kalenderjahrs ergibt, in einem bestimmten Ausmaß von dem Wert des letzten Feststellungszeitpunktes nach oben oder unten abweicht und die Abweichung nicht auf Umständen beruht, die beim letzten Feststellungszeitpunkt bereits vorgelegen haben. Wurde bereits bei der letzten Feststellung durch einen Fehler ein abweichender Wert ermittelt, kann dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt über eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung korrigiert werden. Die Unterscheidung ist wichtig, da sich dadurch unterschiedliche Feststellungszeitpunkte ergeben. S. dazu Anm. 231 ff.
Rz. 81
Die Festlegung von Wertgrenzen als Voraussetzung für eine Wertfortschreibung ist darin begründet, dass nicht jede geringfügige Wertabweichung zu einer Wertfortschreibung führen soll, sondern nur solche von einigem Gewicht. Ohne Bedeutung ist, auf welcher Ursache die Wertabweichung beruht. Sie kann auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, aber auch auf Rechtsänderungen oder Fehlern der vorangegangenen Feststellung beruhen. Fehler in diesem Sinne liegen allerdings nur dann vor, wenn die zu korrigierende Feststellung tatsächlich den Bestimmungen des Bewertungsrechts zuwiderläuft.
Rz. 82
Unter den tatsächlichen Verhältnissen sind insb. dessen sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften, soweit sie wesentlich für seine Zweckbestimmung und Ertragskraft sind, zu verstehen. Klassisches Beispiel dafür sind An- und Umbauten, bei denen sich die Nutzfläche erhöht, oder aber eine verbesserte Nutzbarkeit des Objektes erreicht wird. Auch Veränderungen der Verkehrs- und Geschäftslage können als sichtbare Wertänderungen ebenfalls die tatsächlichen Verhältnisse betreffen. Als solche sind sie aber abzugrenzen von der allgemeinen Wirtschafts- und Verkehrslage. Die verminderte Ertragskraft eines Grundstücks infolge einer Verschlechterung der Konjunktur ist nicht den tatsächlichen Verhältnissen zuzurechnen. Vielmehr können Veränderungen in der Verkehrs- und Geschäftslage nur dann den tatsächlichen Verhältnissen zugerechnet werden, wenn sie auf besonderen Umständen des Grundstücks beruhen und dieses damit einen "Sondertatbestand" erfüllt.
Rz. 83
Umstände, die lediglich Ausfluss einer veränderten Einzelhandelsstruktur und damit einhergehend veränderter Käuferströme sind sowie auf der Wirtschaftsabschwächung und der damit sinkenden Kaufkraft der Region beruhen, sind keine tatsächlichen Umstände, die eine Wertfortschreibung rechtfertigen können. In solchen Fällen besteht während des laufenden Hauptfeststellungszeitraumes allenfalls ein Anspruch auf Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 und 3 GrStG.
Rz. 84
Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist z.B. das Auslaufen oder der Beginn einer Grundsteuerbegünstigung oder -befreiung (s. dazu § 79 BewG Anm. 106 ff.). Entsprechendes gilt für den Wegfall der Berlin-Ermäßigung oder für den Wegfall der Mietpreisbindung (s. dazu § 79 BewG Anm. 41 ff.) und der Eigenschaft einer wirtschaftlichen Einheit als öffentlich gefördert (s. dazu § 79 BewG Anm. 44). Keine relevante Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist dagegen die nur vorüber gehende Unbenutzbarkeit eines Gebäudes wegen Renovierung. Etwas anderes gilt allerdings bei Zerstörung oder Entkernung eines Gebäudes.
Rz. 85
Die Änderung der Verwaltungsauffassung, z.B. zur Höhe von Abschlägen bei Tankstellengrundstücken, ist ebenfalls keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. In Betracht kommen kann allerdings eine fehlerbeseitigende Fortschreibung, wenn die ursprüngliche Verwaltungsauffassung falsch war. Falsch ist sie allerdings nur dann, wenn die ursprüngliche Festlegung außerhalb jeder vernünftigen Überlegung liegt.
Rz. 86
Im Regelfall werden die Wertfortschreibungen durch Änderungen des Bewertungsgegenstandes ausgelöst. Die Wertfortschreibung eines Einheitswerts ist grundsätzlich aber auch dann zulässig, wenn keine Veränderungen am Gegenstand der Bewertung seit der letzten Einheitswertfeststellung eingetreten sind. Deshalb können nach § 22 Abs. 3 BewG auch unrichtige Feststellungsbescheide mit Wirkung von einem späteren Feststellungszeitpunkt ab durch eine Wertfortschreibung berichtigt werden. Hierbei genügt ein bloßer Rechtsirrtum bei der früheren Bewertung für die Vornahme einer Wertfortschreibung.
Rz. 87– 89
Einstweilen frei.