Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 12
Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 BewG ist bei der Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der gemeine Wert zugrunde zu legen. Die grundsätzliche Definition des gemeinen Wertes findet sich in § 9 Abs. 2 BewG. Danach wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen sind. Ungewöhnliche oder persönliche Umstände beeinflussen den gemeinen Wert nicht. Vgl. zu den Einzelheiten die Ausführungen in der Kommentierung zu § 9 BewG.
Rz. 13
Die Vorschrift modifiziert den gemeinen Wert jedoch in einer bestimmten Weise. Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 BewG ist nämlich für die Bewertung davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Der gemeine Wert des § 9 BewG wird folglich durch den so genannten Fortführungswert ersetzt. Der Fortführungswert ist auch dann anzusetzen, wenn ein Betrieb im Ganzen verpachtet wird oder eine eiserne Verpachtung vorliegt.
Rz. 14
Für im Ganzen verpachtete Betriebe wird eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf andere Art und Weise fingiert. Dieser Sachverhalt ist auch dann gegeben, wenn der Betrieb durch Schenkung oder Erbschaft auf den neuen Eigentümer übergegangen ist. Das gilt auch in den Fällen, in denen neben dem im Erbschafts- oder Schenkungsfall übergegangenen Grund und Boden weitere Wirtschaftsgüter i.S. des § 158 Abs. 3 Nr. 2 bis 3 und 5 BewG vorhanden sind, die einem Dritten zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Bei einer eisernen Verpachtung ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Auch hier wird fingiert, dass die eiserne Verpachtung die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit in anderer Art und Weise darstellt.
Rz. 15
Der Fortführungswert entspricht dabei weniger dem gemeinen Wert des § 9 BewG, sondern vielmehr dem Teilwert des § 10 BewG. Teilwert ist danach der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt. Vgl. zu den Einzelheiten die Ausführungen von Dötsch in der Kommentierung zu § 10 BewG.
Rz. 16
Nach der modifizierten Definition des gemeinen Wertes nach § 162 Abs. 1 Satz 3 BewG ist folglich der Wert anzusetzen, der unter objektiven ökonomischen Bedingungen den jeweiligen Nutzungen in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beizumessen ist. Die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, die Nebenbetriebe, das Abbau-, Geringst- und Unland sind jeweils gesondert mit ihrem Wirtschaftswert i.S.d. § 163 BewG zu bewerten.
Rz. 17
§ 163 BewG knüpft bei der Ermittlung des Wirtschaftswertes an den Ertragswert eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an. Dabei wird von einer nachhaltigen Ertragsfähigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgegangen. Basis des Ertragswertverfahrens ist der Reingewinn, der allerdings in einem pauschalierten Verfahren ermittelt wird, wobei die Ertragsfähigkeit der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unter Berücksichtigung der natürlichen Ertragsbedingungen, der Bodengüte und der klimatischen Verhältnisse bestimmt wird. Vgl. zu den Einzelheiten die Ausführungen von Bruschke in der Kommentierung zu § 163 BewG.
Rz. 18
Hintergrund dieser pauschalierten Ermittlung des Ertragswertes ist die Überlegung, dass für Verkäufe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe kein hinreichender Markt besteht und folglich auch kein objektiver Verkehrswert für derartige Betriebe zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber hat sich damit, wenn auch nachvollziehbar, für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft über die Rechtsprechung des BVerfG hinweggesetzt, der gerade diesen objektiven Ansatz gefordert hat. Allerdings hat es auch das BVerfG zugelassen, dass der Wert der Wirtschaftsgüter über ein Annäherungsverfahren an den gemeinen Wert ermittelt wird, wobei das Ertragswertverfahren insgesamt eine denkbare Möglichkeit bildet.
Rz. 19
Die Untergrenze der Bewertung mit dem modifizierten gemeinen Wert stellt nach § 162 Abs. 1 Satz 4 BewG jeweils die Mindestbewertung nach § 164 BewG dar. Der nach § 164 BewG ermittelte Wert darf keinesfalls unterschritten werden.
Rz. 20
Einstweilen frei.