Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 208
Die höchstrichterliche Rspr. hatte vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung im § 22 Abs. 3 BewG die Zulässigkeit einer fehlerbeseitigenden Fortschreibung in zwei Richtungen eingeschränkt. Sie sollte nur erfolgen dürfen, wenn ein klarer, einwandfrei feststellbarer Fehler vorlag und es sich zudem um einen Einzelfall handelte. Eine Kollektivfortschreibung zur Beseitigung von gleich liegenden Fehlern, die in einer Vielzahl von Fällen unterlaufen sind, durfte nicht erfolgen.
Rz. 209
Der BFH hat nunmehr diese frühere Rspr. aufgegeben. Er hat zunächst auf das Erfordernis eines klarliegenden und einwandfrei feststellbaren Fehlers verzichtet. Fehler ist danach jede materielle Unrichtigkeit i.S.d. § 177 Abs. 3 AO.
Auch das Verbot von Kollektivfortschreibungen wurde aufgegeben. Fehlerbeseitigende Fortschreibungen sind nunmehr ohne Rücksicht auf die Zahl der betroffenen Fälle zulässig. Allerdings dürfen sie nicht so weit gehen, dass sie der Berücksichtigung einer Änderung der allgemeinen Wertverhältnisse gleich kommen und dann gegen § 27 BewG verstoßen würden.
Rz. 210
Der geänderten Rspr. ist zuzustimmen. Die vorerwähnten Einschränkungen des Fehlerbegriffs sind nach der gesetzlichen Regelung der fehlerbeseitigenden Fortschreibung in § 22 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG nicht mehr gerechtfertigt.
Rz. 211
Entscheidend gegen beide Einschränkungen spricht, dass mit der gesetzlichen Festlegung des Zeitpunkts für die fehlerbeseitigende Fortschreibung ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung weggefallen ist. Fortschreibungen zu Lasten des Stpfl. können nur noch mit Wirkung für die Zukunft durchgeführt werden. Es besteht deshalb keine Gefahr übermäßiger, rückwirkender Belastungen. Es kommt hinzu, dass es angesichts der Überlänge des Hauptfeststellungszeitraums für Grundbesitz nicht vertretbar ist, Fehler in der Bewertung nur deshalb für unabsehbare Zeiten fortzuführen, weil sie nicht sofort erkennbar oder nicht nur in Einzelfällen unterlaufen sind.
Rz. 212
Schließlich spricht gegen die Beibehaltung der Einschränkungen, dass sie zusätzliche Rechtsunsicherheiten verursachen. Auf wessen Kenntnisse soll es z.B. bei der Frage, ob ein Fehler klar liegt und einwandfrei feststellbar ist, ankommen? Wie schwierig die Abgrenzung zwischen Einzelfall- und Kollektivfortschreibung ist, zeigt eine Entscheidung des BFH. In diesem Verfahren hatte das Gericht zu entscheiden, ob 20 Saatzuchtbetriebe aus einer größeren Gruppe, für die das Finanzamt Wertfortschreibungen durchgeführt hatte, Einzelfälle waren oder nicht. Die Vorwegnahme einer neuen Hauptfeststellung ist im Übrigen bei "Kollektivfortschreibungen" schon deshalb nicht zu befürchten, weil die Fortschreibung nur zur Beseitigung bestimmter Fehler und nicht zu einer Gesamtaufrollung führt und bei Grundbesitz außerdem die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend bleiben.
Rz. 213– 215
Einstweilen frei.