Rz. 31
Zentrales Tatbestandsmerkmal der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1 GrStG ist der dem Gottesdienst bestimmter Religionsgemeinschaften gewidmete Grundbesitz. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass für eine Steuerbefreiung sowohl eine subjektive Voraussetzung (Anforderung an den Rechtsträger) sowie eine objektive Voraussetzung (Anforderung an die Form der Nutzung) kumulativ erfüllt sein müssen.
Rz. 32
Nicht erforderlich für die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrStG ist, dass Grundbesitz einer begünstigten Religionsgesellschaft rechtlich bzw. wirtschaftlich zugerechnet werden kann. Der Grundbesitz muss vielmehr ausschließlich dem Zweck des Gottesdienstes gewidmet sein. Eine Befreiung gemäß § 4 Nr. 1 GrStG kommt daher auch dann in Betracht, wenn der Grundbesitz einem Dritten, z.B. einer Privatperson, zuzurechnen ist. Auch eine Vermietung des Grundbesitzes an eine Religionsgemeinschaft schließt eine Grundsteuerbefreiung nicht aus. Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, dass der Grundbesitz einer Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Benutzung für den Gottesdienst entgeltlich bzw. unentgeltlich überlassen wird.
Rz. 33
Unter dem Begriff Gottesdienst ist die regelmäßige bzw. einmalige Abhaltung von Zusammenkünften der Angehörigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft unter Anwesenheit von berufenen Vertretern der Gemeinschaft zur gemeinsamen Glaubensausübung in Form von Beten, Predigen, Singen, sowie Erfüllung der religiösen Pflichten entsprechend den liturgischen Vorgaben zu verstehen. Der Gottesdienst kann innerhalb und außerhalb von dazu vorgesehenen Gebäuden abgehalten werden.
Rz. 34
Unter dem Tatbestandsmerkmal der Widmung ist eine Zweckzuweisung durch die nutzende Religionsgemeinschaft zu verstehen. Im Allgemein erfolgt dies durch deren kraft Amtes berufenen Vertreter. Ein Grundstück ist dem Gottesdienst gewidmet, wenn es für diesen Zweck hergerichtet (§ 7 Satz 2 GrStG) und dauernd bereitgehalten wird. Eine erstmalige Benutzung für einen Gottesdienst muss entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift noch nicht stattgefunden haben. Als Widmung i.S.d. § 4 Nr. 1 GrStG wird lediglich die dauerhafte Zweckzuweisung anzusehen sein. Vor diesem Hintergrund wird es sich bei dem Grundbesitz in erster Linie um Kapellen, Kirchen, Dome, Münster, Kathedralen, Krypten, Basiliken sowie Synagogen handeln. In den Anwendungsbereich der Vorschrift gehört auch der Vorplatz sowie der räumliche Bereich rund um die Zugangsbereiche zu den Gotteshäusern.
Rz. 35
Zu den nicht durch § 4 Nr. 1 GrStG begünstigten religiösen Zwecken gehören somit die kirchlichen Gemeindehäuser sowie die Räumlichkeiten für die Ausbildung von Geistlichen und die Erteilung von Religionsunterricht. Für diese kommt ggf. eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 GrStG in Betracht.
Rz. 36
Beim erstmaligen Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Kirche sind auch jene Grundstücksteile von der Steuer auszunehmen, die als Kirchplatz für Grünanlagen und zum Abstellen von Fahrzeugen der Kirchenbesucher vorgesehen sind. Die Steuerbefreiung für den Nacherwerb eines Parkplatzgrundstückes soll nach Ansicht der Finanzrechtsprechung ausscheiden, wenn er nicht im engen zeitlichen Zusammenhang – d.h. innerhalb der für die Nachversteuerung vorgesehenen Fristen – mit dem Erwerb des Kirchengrundstückes steht.
Rz. 37
Der spätere Erwerb eines Grundstücks durch eine Kirchengemeinde zum Zwecke der Errichtung eines Parkplatzes für die Kirchenbesucher ist nur dann gemäß § 4 Nr. 1 Nr. 4 GrEStG von der Grundsteuer befreit, wenn der Parkplatz dem Gemeingebrauch (vgl. z. B. § 13 Abs. 1 StrG BW) gewidmet wird. Dies setzt das Vorliegen einer ausdrücklich verfügten und öffentlich bekanntgemachten wegerechtlichen Widmungsverfügung im Sinne der geltenden Straßengesetze und Wegegesetze des Bundes und der Länder voraus. Eine stillschweigende Widmung ist nicht ausreichend. Die für die Gemeinde im Grundbuch eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit – Verwendung des Grundstücks als Parkplatz für die Kirchenbesucher – kann dem Hoheitsakt der Widmung nicht gleichgestellt werden oder ihn ersetzen.
Rz. 38
Wird das Grundstück auch zu einem anderen Zweck bzw. zu mehreren anderen Zwecken benutzt, ist gemäß § 8 GrStG für eine Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrStG erforderlich, dass die Benutzung für den steuerbegünstigten Zweck überwiegt. Maßgeblich für die hierzu erforderliche Betrachtung eines Überwiegens sollte grds. die zeitliche Inanspruchnahme des Grundstücks für die im Einzelfall verwendeten unterschiedlichen Zwecke sein.
Rz. 39
Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 GrStG ist ausschließlich entscheidend, ob die Religionsgemeinschaft den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft i.S.d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV innehat. Die Befreiungsvorauss...