Rz. 3
Der auflösend bedingte Erwerb wird steuerlich zunächst wie ein unbedingter Erwerb behandelt und dem Erwerber voll zugerechnet (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BewG). Hieraus ergibt sich, dass im obigen Beispiel Rz. 1 der Witwe A zunächst der ganze Vermögensanfall zugerechnet werden muss.
Rz. 4
Besteht der Vermögenserwerb in dem Recht auf wiederkehrende Nutzungen von unbestimmter Dauer, d.h. auf Nutzungen, die in absehbarer Zeit wegfallen, bei denen aber der Zeitpunkt des Wegfalls unbestimmt ist, so gelten für die Berechnung des Kapitalwerts die Vorschriften des § 13 Abs. 2 und 3, § 14 und § 15 Abs. 3 BewG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BewG werden die vorgenannten Bewertungsvorschriften nicht berührt. Auch wenn das Recht auf wiederkehrende Nutzungen von unbestimmter Dauer auflösend bedingt ist, folgt es trotzdem in der Bewertung den Vorschriften des § 13 Abs. 2 und 3 usw. BewG.
Sohn S erhielt am 1.4.1972 von seinem Vater V einen Barbetrag von 128.193,94 DM als zinsloses Darlehen auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt. Dabei trafen die Beteiligten über Laufzeit und Tilgung des Darlehens keine konkreten Abmachungen; je nach den geschäftlichen Gegebenheiten des mittels des Darlehens aufzubauenden Unternehmen des S sollte das Darlehen weitergewährt, zurückgezahlt oder erlassen werden. Ein schriftlicher Vertrag über die Darlehnsgewährung ist nicht vorhanden. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 31.12.1974 schenkte V dem S einen Teilbetrag der Darlehenssumme von 98.193,94 DM. Der Restbetrag von 30.000 DM steht S nach diesem Vertrag weiterhin zinslos zur Verfügung. Das Finanzamt sah in der zinslosen Darlehensgewährung eine Schenkung. Dabei wurde die jährliche Zuwendung (= Zinsersparnis) bei einem Zinssatz von 5,5 % mit 7.050,61 DM ermittelt (5,5 % aus 128.193,94 DM) und als Nutzung von unbestimmter Dauer mit 9 vervielfacht. Der kapitalisierte Betrag machte somit 63.455 DM aus. S begehrte, die Vermögenszuwendung nach der tatsächlichen Dauer der unentgeltlichen Kapitalnutzung zu bewerten. Das Finanzamt sah in § 13 Abs. 2 BewG eine Spezialvorschrift gegenüber § 5 BewG.
Nach der Ansicht des FG Nürnberg hat das Finanzamt die Kapitalnutzung zutreffend bewertet; denn der Wert der Bereicherung des Klägers ist nach § 13 Abs. 2 BewG mit dem Neunfachen des Jahreswerts (d.h. der jährlichen Zinsersparnis) anzusetzen. Zu Unrecht begehre S, den Wert seines Erwerbs gem § 5 Abs. 2 BewG nach dem tatsächlichen Zeitraum zu ermitteln, in dem ihm der Betrag von 128.193,94 DM zur Verfügung stand. Es sei zunächst zweifelhaft, ob die Hingabe des Darlehensbetrags vom Vater an seinen Sohn auflösend bedingt war. Wollte man in der Absprache über das Ende der Kreditgewährung eine auflösende Bedingung im Sinn des § 5 Abs 1 Satz 1 BewG i.V.m. § 158 Abs 2 BGB hinsichtlich der Zinsersparnis sehen, so würde auch das nicht die von S beantragte niedrigere Bewertung der Kapitalnutzung rechtfertigen; denn die zitierte Vorschrift stellt ja gerade den auflösend bedingten Erwerb dem ohne Bedingung gemachten Erwerb gleich. Zum andern sei in § 5 Abs. 1 Satz 2 BewG ausdrücklich festgelegt, dass die Vorschriften über die Berechnung des Kapitalwerts der Nutzungen von unbestimmter Dauer (§ 13 Abs 2 und 3, § 14, § 15 Abs 3 BewG) unberührt bleiben. Das bedeute, dass die im Klammerzusatz erwähnten Bestimmungen als Spezialvorschriften der Norm des § 5 BewG vorgehen. Es treffe zu, dass sich der Hinweis auf § 13 Abs 2 BewG in Abs 1 des § 5 BewG befindet. Dadurch sei es aber nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, § 13 Abs 2 BewG lediglich im Bereich des Abs 1 des § 5 BewG anzuwenden; denn nach der Systematik des Gesetzes wird dieser Hinweis nur verständlich, wenn er sich auf den gesamten Inhalt des § 5 BewG, also auch auf dessen Abs. 2 bezieht. Das habe zur Folge, dass beim Eintritt der auflösenden Bedingung die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern nicht nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbes zu berücksichtigen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BewG). Vielmehr müsse es bei der aus der Sicht des steuerlichen Stichtags vorgenommenen Bewertung des Kapitalwerts mit dem Neunfachen verbleiben, da – wie ausgeführt – die Nutzung von unbestimmter Dauer war und folglich eine Berichtigung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG ausgeschlossen sei.
Rz. 4.1
Desgleichen wird der Kapitalwert an lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen, auch wenn diese auflösend bedingt sind, nach den Vorschriften des § 14 BewG berechnet. Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer sind gem. § 13 Abs. 2 BewG mit dem 9,3-fachen des Jahreswerts anzusetzen, auch wenn sie von einer auflösenden Bedingung abhängen. Entsprechendes gilt für lebenslängliche Nutzungen und Leistungen, die nach § 14 BewG zu bewerten sind. Auflösend bedingte Renten sind als Renten von unbestimmter Dauer anzusehen, z.B. bei einer Wiederverheiratungsklausel (§ 13 Abs. 2 BewG); bei Befristung auf die Lebenszeit des Berechtigten oder eines Dritten gilt § 14 BewG.