Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Ausnahme von der Abzinsung
Rz. 45
Die Abzinsung des Bodenwerts ist nach § 257 Abs. 2 BewG für den Wert von solchen Teilflächen ausgenommen, die selbständig nutzbar sind. Zur Definition dieser Teilflächen und den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. Rz. 52 ff.
Rz. 46
Die Abzinsung bezieht sich im Ergebnis nur auf den Wert des "Hauptgrundstücks", also der Teilfläche, die nicht die Voraussetzungen einer selbständigen Nutzbarkeit erfüllt. Die Abzinsung für das Hauptgrundstück erfolgt mit dem sich aus Anlage 41 ergebenden Abzinsungsfaktor.
Rz. 47
Mit der Regelung, selbständig nutzbare Teilflächen zuungunsten der Steuerpflichtigen nicht abzuzinsen, greift der Gesetzgeber einen Gedanken der Verkehrswertermittlung auf. Innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens ist in der Stellungnahme der Bundesregierung die Auffassung vertreten worden, dass die Regelung wegen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Abbildung realitätsgerechter Relationen erforderlich sei. Angesichts der im Übrigen realisierten sehr weitgehenden Typisierungen, insb. bei der Maßgeblichkeit der Listenmieten, kann dieses Argument nicht überzeugen, zumal nur seltene Einzelfälle betroffen sein werden.
Rz. 48
Zur Kritik an der Regelung vgl. Rz. 75 ff.
Rz. 49– 51
Einstweilen frei.
II. Definition der selbständig nutzbaren Teilflächen
Rz. 52
Nach § 257 Abs. 2 BewG darf der Wert von "selbständig nutzbaren Teilflächen" nicht mit dem abgezinsten Bodenwert werden. Vielmehr ist der volle Bodenwert zu erfassen. Eine Umschreibung des Begriffs "selbständig nutzbare Teilflächen" erfolgt in § 257 Abs. 3 BewG. Danach muss die Fläche eine der nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen, um von der Abzinsung ausgeschlossen zu werden:
Rz. 53
Eine selbständig nutzbare Teilfläche ist
- ein Teil eines Grundstücks,
- der für die angemessene Nutzung der Gebäude nicht benötigt wird und
- selbständig genutzt oder
- verwertet werden kann.
Rz. 54
Sprachlich dürfte davon auszugehen sein, dass hinsichtlich der Teilfläche entweder die Voraussetzungen "nicht benötigt" und "selbständig genutzt werden" oder die Voraussetzungen "nicht benötigt" und "verwertet werden kann" vorliegen müssen. Inhaltlich erscheint diese Auslegung jedoch dann unwahrscheinlich, wenn mit "Verwertung" eine Veräußerung gemeint wäre. In diesem Fall läge bereits eine gesondert zu bewertende wirtschaftliche Einheit vor, für die eine Abzinsung ebenfalls nicht in Betracht käme. Deshalb wird der Begriff "Verwertungsmöglichkeit" nicht die eigentliche Veräußerung im Blick haben. Gleichzeitig erweist sich das Tatbestandsmerkmal der bloßen – wie auch immer gearteten – Verwertungsmöglichkeit als äußerst weitgehend und unbestimmt.
Rz. 55
Die Wertungsfrage, wann eine "angemessene" Nutzung der Gebäude vorliegt, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die Nutzung eines Wohngebäudes beschränkt sich auf die Nutzung der Räume. Deshalb würden – bei enger Auslegung – sämtliche Grundstücksflächen – mit Ausnahme der für den Zugang zum Haus erforderlichen Flächen – für eine angemessene Nutzung nicht benötigt und deshalb von der Abzinsung auszunehmen. Aus dem Blickwinkel der Verkehrswertermittlung wäre dieser Gedanke sicherlich überzogen und zur Abbildung realitätsgerechter Relationen nicht geeignet. Bei einer weniger engen Auslegung könnten jedoch Gartenflächen, die für Erholungszwecke genutzt werden, als Teilflächen betrachtet werden. Diese Flächen wären von einer Abzinsung auszunehmen, weil die Erholung durch Gartennutzung nicht für eine angemessene "Gebäude"-Nutzung benötigt werden. Dies dürfte bei größeren Gärten auch aus der Sicht der Verkehrswertermittlung zutreffend sein. Wobei sich sofort die Frage stellt, ab wann Gärten "größer" sind.
Rz. 56
Die Erläuterungen der Finanzverwaltung in A 257.4 AEBewGrSt lösen die vorstehenden Fragestellungen nicht auf, sondern vertiefen die bestehenden Unsicherheiten.
Rz. 57
Abweichend vom Wortlaut des Gesetzes greift die Finanzverwaltung hinsichtlich der selbständig nutzbaren Teilfläche nicht den Gedanken auf, dass sie für eine angemessene Gebäudenutzung "nicht benötigt" wird. Vielmehr verlangt die Finanzverwaltung, dass das Grundstück wesentlich größer sein muss, als es einer den Gebäuden angemessenen Nutzung entspricht. Diese Formulierung scheint den gesetzlichen Regelungsbereich zuungunsten der Steuerpflichtigen auszuweiten. Auch gegenüber der gesetzlich geforderten selbständigen Nutzbarkeit oder Verwertungsmöglichkeit weicht die Formulierung der Finanzverwaltung ab. Nach A 257.4 Abs. 1 Satz 1 AEBewGrSt muss eine zusätzliche Nutzung oder Verwertung einer Teilfläche (selbständig nutzbare Teilfläche) "zulässig" und "möglich" sein, ohne dass mehrere wirtschaftliche Einheiten i.S.d. § 2 BewG vorlie...