Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 52
Nach § 257 Abs. 2 BewG darf der Wert von "selbständig nutzbaren Teilflächen" nicht mit dem abgezinsten Bodenwert werden. Vielmehr ist der volle Bodenwert zu erfassen. Eine Umschreibung des Begriffs "selbständig nutzbare Teilflächen" erfolgt in § 257 Abs. 3 BewG. Danach muss die Fläche eine der nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen, um von der Abzinsung ausgeschlossen zu werden:
Rz. 53
Eine selbständig nutzbare Teilfläche ist
- ein Teil eines Grundstücks,
- der für die angemessene Nutzung der Gebäude nicht benötigt wird und
- selbständig genutzt oder
- verwertet werden kann.
Rz. 54
Sprachlich dürfte davon auszugehen sein, dass hinsichtlich der Teilfläche entweder die Voraussetzungen "nicht benötigt" und "selbständig genutzt werden" oder die Voraussetzungen "nicht benötigt" und "verwertet werden kann" vorliegen müssen. Inhaltlich erscheint diese Auslegung jedoch dann unwahrscheinlich, wenn mit "Verwertung" eine Veräußerung gemeint wäre. In diesem Fall läge bereits eine gesondert zu bewertende wirtschaftliche Einheit vor, für die eine Abzinsung ebenfalls nicht in Betracht käme. Deshalb wird der Begriff "Verwertungsmöglichkeit" nicht die eigentliche Veräußerung im Blick haben. Gleichzeitig erweist sich das Tatbestandsmerkmal der bloßen – wie auch immer gearteten – Verwertungsmöglichkeit als äußerst weitgehend und unbestimmt.
Rz. 55
Die Wertungsfrage, wann eine "angemessene" Nutzung der Gebäude vorliegt, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die Nutzung eines Wohngebäudes beschränkt sich auf die Nutzung der Räume. Deshalb würden – bei enger Auslegung – sämtliche Grundstücksflächen – mit Ausnahme der für den Zugang zum Haus erforderlichen Flächen – für eine angemessene Nutzung nicht benötigt und deshalb von der Abzinsung auszunehmen. Aus dem Blickwinkel der Verkehrswertermittlung wäre dieser Gedanke sicherlich überzogen und zur Abbildung realitätsgerechter Relationen nicht geeignet. Bei einer weniger engen Auslegung könnten jedoch Gartenflächen, die für Erholungszwecke genutzt werden, als Teilflächen betrachtet werden. Diese Flächen wären von einer Abzinsung auszunehmen, weil die Erholung durch Gartennutzung nicht für eine angemessene "Gebäude"-Nutzung benötigt werden. Dies dürfte bei größeren Gärten auch aus der Sicht der Verkehrswertermittlung zutreffend sein. Wobei sich sofort die Frage stellt, ab wann Gärten "größer" sind.
Rz. 56
Die Erläuterungen der Finanzverwaltung in A 257.4 AEBewGrSt lösen die vorstehenden Fragestellungen nicht auf, sondern vertiefen die bestehenden Unsicherheiten.
Rz. 57
Abweichend vom Wortlaut des Gesetzes greift die Finanzverwaltung hinsichtlich der selbständig nutzbaren Teilfläche nicht den Gedanken auf, dass sie für eine angemessene Gebäudenutzung "nicht benötigt" wird. Vielmehr verlangt die Finanzverwaltung, dass das Grundstück wesentlich größer sein muss, als es einer den Gebäuden angemessenen Nutzung entspricht. Diese Formulierung scheint den gesetzlichen Regelungsbereich zuungunsten der Steuerpflichtigen auszuweiten. Auch gegenüber der gesetzlich geforderten selbständigen Nutzbarkeit oder Verwertungsmöglichkeit weicht die Formulierung der Finanzverwaltung ab. Nach A 257.4 Abs. 1 Satz 1 AEBewGrSt muss eine zusätzliche Nutzung oder Verwertung einer Teilfläche (selbständig nutzbare Teilfläche) "zulässig" und "möglich" sein, ohne dass mehrere wirtschaftliche Einheiten i.S.d. § 2 BewG vorliegen. Mit dieser Formulierung schränkt die Finanzverwaltung die gesetzlichen Vorgaben zugunsten der Steuerpflichtigen ein.
Rz. 58
Zwar ist es nach A 257.4 Abs. 1 Satz 2 AEBewGrSt für die Annahme einer selbständig nutzbaren Teilfläche nicht entscheidend, ob diese selbständig baulich nutzbar ist. Allerdings reicht es nach A 257.4 Abs. 1 Satz 3 AEBewGrSt jede sinnvolle Nutzung aus. Darunter seien Lagerflächen, Abstellflächen, "zusätzliche" Gartenflächen, Schrebergarten usw. zu verstehen. Diese Aussage lässt befürchten, dass die Regelung weit auszulegen ist. Demgegenüber ist A 257.4 Abs. 1 Satz 4 AEBewGrSt dazu geeignet, die Anwender zu verwirren, weil gefordert wird, dass die selbständig nutzbare Teilfläche "hinreichend groß" und so "gestaltet" sein muss, dass eine entsprechende Nutzung oder Verwertung möglich ist.
Rz. 59
Im Ergebnis wird deutlich, dass eine derart unkonkrete Regelung und insb. die Fülle der Unbestimmtheiten der in § 257 Abs. 3 BewG verwendeten Begriffe nicht in das System der pauschalierten Ermittlung der Grundsteuerwerte passt. Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Fragestellungen nur in seltenen Einzelfällen aufgreifen wird.
Rz. 60
Hinsichtlich der Bewertung des Bodenwerts unterscheidet die Finanzverwaltung zwischen
- bebaubaren selbständig nutzbaren Teilflächen und
- nicht bebaubaren selbständig nutzbaren Teilflächen.
Rz. 61– 63
Einstweilen frei.