Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 34
Wird ein bisher unbebautes Grundstück erstmals mit einem Gebäude bebaut, das im Besteuerungszeitpunkt noch nicht bezugsfertig ist, so ist danach zu unterscheiden, wie das fertigzustellende Gebäude im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit zu bewerten ist. Maßgebend ist stets das, was tatsächlich neu geschaffen wurde. Der Wille des Erblassers oder Schenkers ist hierbei nicht entscheidend, wenn er von dem Erwerber nicht tatsächlich umgesetzt wurde.
Der Erblasser hatte ein Bürohaus mit einem Ladenlokal geplant und im Zeitpunkt seines Todes fast fertiggestellt. Der Erwerber sieht in der Vermietung als Ladenlokal keine ertragsbringende Nutzung. Er entschließt sich daher, die Räumlichkeiten im Erdgeschoss zu einem Lichtspielhaus umzubauen.
Für die Bewertung des Grundstücks im Zustand der Bebauung kommt es nicht auf die Planung des Erblassers an, sondern wie sich das Gebäude im Zeitpunkt der Fertigstellung darstellt. Zumindest im Ertragswertverfahren ist der Grundstückswert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit Ausgangsgröße für alle weiteren Berechnungen im Ertragswertverfahren. Solche Rechenoperationen sind bei der Bewertung nach § 147 BewG nicht erforderlich. Maßgebend ist hier, was ertragsteuerlich an Herstellungskosten für das Gebäude zu erfassen ist.
Rz. 35
Hat der Steuerpflichtige ein Grundstück mit einem Gebäude erworben, das er vor Durchführung der Baumaßnahme abreißen lässt, ist von der Errichtung eines Gebäudes auf einem unbebauten Grundstück auszugehen. Maßgebend ist, so zumindest die Finanzverwaltung, der Zustand des Grundstücks nach Abbruch des Gebäudes und vor Beginn der Baumaßnahme zur Errichtung des neu geschaffenen Gebäudes.
I. Ertragsbewertung im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit
Rz. 36
Wird auf einem unbebauten Grundstück ein Gebäude errichtet, für das sich nach Fertigstellung eine übliche Miete ermitteln lässt, ist das im Besteuerungszeitpunkt noch nicht bezugsfertige Gebäude zusammen mit dem Grund und Boden wie folgt zu bewerten:
Für die Ermittlung des Grundstückswerts müssen zwei Berechnungsgrößen ermittelt werden, und zwar der Wert des Grund und Bodens und der Wert der Gebäudesubstanz im Besteuerungszeitpunkt.
1. Wert des Grund und Bodens
Rz. 37
Der Wert des Grund und Bodens wird wie bei der Bewertung eines unbebauten Grundstücks nach § 145 Abs. 3 BewG ermittelt. Maßgebend dafür ist die Grundstücksfläche und der um 20 % ermäßigte Bodenrichtwert. Ggf. ist der Bodenrichtwert wegen der Aufteilung in Vorder- und Hinterland, wegen der Berücksichtigung abweichender Geschossflächenzahlen oder bei Ansatz größenabhängiger Umrechnungsfaktoren zu korrigieren. Hat der Grundstückseigentümer das Grundstück innerhalb eines Jahres vor dem Besteuerungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erworben und liegt der Kaufpreis unter dem Steuerwert nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG, kann der Kaufpreis als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts dienen. Eine Anpassung des Kaufpreises an die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt – dieser ist als Wertermittlungsstichtag maßgebend – ist nicht vorzunehmen.
Denn ein Kaufpreis kann nur dann als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts herangezogen werden, wenn er in einer derart hinreichenden Stichtagsnähe zustande gekommen ist, dass der Kaufpreis den gemeinen Wert in Besteuerungszeitpunkt widerspiegelt. Sofern sich beispielsweise die maßgebenden Stichtagsverhältnisse geändert haben, hat der Kaufpreis für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts keine ausreichende Aussagekraft. Die Finanzverwaltung erkennt – zumindest im Anwendungsbereich des § 198 BewG – Kaufpreise als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts an, wenn diese innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor oder nach den Besteuerungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden sind. Der Zeitraum kann auch länger sein, sofern sich die maßgebenden Stichtagsverhältnisse nicht geändert haben.
Rz. 38
Der Umstand, dass ein Grundstück mit einem Gebäude bebaut ist, das vor Durchführung der Baumaßnahme abgerissen wird, führt bei der Ermittlung des Werts des Grund und Bodens zu keiner Wertminderung. Maßgebend für die Berechnung des Werts des Grund und Bodens ist der Zustand nach Abbruch des Gebäudes. Weist der Grundstückseigentümer gegenüber dem Finanzamt einen niedrigeren stichtagsnahen Kaufpreis nach, kann dieser nicht als Wert für das unbebaute Grundstück nach Abbruch des Gebäudes zugrunde gelegt werden, wenn in ihm der Wert des abgerissenen Gebäudes enthalten ist. Akzeptiert die Finanzverwaltung den stichtagsnahen Kaufpreis als Nachweis, wäre es m.E. nicht akzeptabel – den Gebäudewertanteil im Schätzungswege herauszurechnen, zumal ein Gebäudewertanteil, der im Wege der Schätzung zu ermitteln ist, von einer Mehrzahl individueller Besonderheiten abhängt, sodass die bereits Anerkennung eines Kaufpreises als Nachweis des nied...