Rz. 69
Soweit die Gegenleistung des Erwerbers Entgelt der Leistung des Schenkers und der Erwerb daher nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerbar ist, kann der Vorgang – unter weiteren Voraussetzungen – der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG) und der Grunderwerbsteuer (§ 1, § 8 Abs. 1 GrEStG) unterliegen. Während das GrEStG die Gegenleistung im Hinblick auf die einzelnen Erwerbsvorgänge konkret definiert (§ 9 Abs. 1 GrEStG), gilt im Umsatzsteuerrecht ein abstrakter Entgeltbegriff: Entgelt ist "alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten ..." (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG a.F.) bzw. "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der (Leistende) für die Leistung/diese Umsätze... erhält oder erhalten soll ..." (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG/Art. 73 MwStSystRL). Diese Definition entspricht im Wesentlichen der schenkungsteuerlichen Begriffsbestimmung: Entgeltlich ist eine Leistung, soweit sie zivilrechtlich verknüpft ist mit einer geldwerten Gegenleistung(sverpflichtung) oder einem entsprechenden Rechtsanspruch des Leistungsempfängers.
Rz. 70
Ob und inwieweit eine Leistung der Umsatz-, Grunderwerb- oder Schenkungsteuer unterliegt, hängt entscheidend von ihrer objektiven Un-/Entgeltlichkeit ab. Dies erfordert eine einheitliche Beurteilung.
Beispiel:
(Unternehmer) V veräußert mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück im Verkehrswert von 500.000 EUR an (Unternehmer) E zu einem beurkundeten Kaufpreis von 250.000 EUR (zzgl. 19% USt).
Es handelt sich um eine teilunentgeltliche Grundstücksübertragung (gemischte Grundstücksschenkung). E hat das Grundstück hälftig unentgeltlich erworben; insoweit ist § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einschlägig und die Anwendung des GrEStG deshalb ausdrücklich ausgeschlossen (§ 3 Nr. 2 GrEStG ). Die Grunderwerbsteuer erfasst nur den entgeltlichen Teil des Vorgangs, d.h. hier den vereinbarten Kaufpreis (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dies gilt auch für die Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Abgrenzung gegenüber der Schenkungsteuer erfolgt unmittelbar anhand des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Danach wird nicht nur die Umsatzsteuerbarkeit auf den entgeltlichen Teil des Geschäfts beschränkt, sondern immanent auch der schenkungsteuerbare unentgeltliche Teil bestimmt.
Rz. 71
§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG lässt sich daher durchaus für schenkungsteuerliche Zwecke instrumentalisieren, so dass die These gerechtfertigt erscheint: § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG schließen sich gegenseitig aus; deutlich wird dies z.B. bei (echten) Zuschüssen, die grundsätzlich der Schenkungsteuer und nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Ein kumulativer Zugriff von Umsatzsteuer und Schenkungsteuer ist nur bei Anwendung der umsatzsteuerlichen Mindestbemessungsgrundlage möglich sowie in den Fällen, in denen das UStG ausdrücklich unentgeltliche Leistungen bzw. Erwerbe eines Unternehmers fokussiert. Auch § 17 UStG bestätigt die These und erlaubt bei nachträglicher Änderung von Leistung und/oder Gegenleistung korrespondierend Schlüsse auf den schenkungsteuerlich relevanten Umfang der Unentgeltlichkeit. Überschneidungen zwischen Umsatzsteuer und Schenkungsteuer sind allerdings denkbar, wenn – wie z.B. bei Nichterstattung des vereinnahmten Entgelts trotz ausbleibender Leistung – die Anwendung des § 17 UStG im Einzelfall scheitert.
Rz. 72
Aus der Sicht der Ertragsteuern wird das obige Beispiel konform beurteilt. Deckungsgleich mit § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG definiert § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die (Gegen-)Leistungen "um einen Vermögensgegenstand zu erwerben" als sog. Erwerbskosten. Grundsätzlich handelt es sich nur insoweit um ein entgeltliches, d.h. Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft, das im Rahmen der einzelnen Einkunftsarten der Einkommen- und/oder der Körperschaftsteuer unterfällt. Im Übrigen liegt ein unentgeltlicher Vorgang vor, der sich auf Seiten des Leistenden regelmäßig nicht ertragswirksam auswirken darf, beim Vorteilsempfänger jedoch zu steuerbaren Einnahmen führen kann. Gelingt ihm die ertragsteuerliche Neutralisierung dieser Vermögensmehrung nicht, droht dem Erwerber eine doppelte Besteuerung, da Einkommen-/Körperschaftsteuer und Erbschaft-/Schenkungsteuer nach derzeitiger Rechtslage durchaus nebeneinander erhoben werden können.
Rz. 73
In jüngerer Zeit suchte man im BFH neue Wege zur Vermeidung eines kumulativen Steuerzugriffs. Der II. (Schenkungsteuer-)Senat rückte die ertragsteuerliche Beurteilung in den Vordergrund und wollte bei Steuerbarkeit eines Erwerbsvorgangs nach dem EStG den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verneinen. Doch leider begründete er nicht, weshalb – abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung – die einkommensteuerliche Betrachtung plötzlich wichtig und hierbei nicht die tatsächliche Handhabung, sondern die "zutreffende" Beurteilung maßgebend sein sollte. H...