Rz. 113
Spricht die objektiv unentgeltliche Bereicherung des Erwerbers prima facie für die Freigebigkeit des Schenkers, geht es nur noch darum, ob und wie der Steuerpflichtige diesen Anscheinsbeweis erschüttern und damit die Nachweislast für den tatsächlichen Willen des Schenkers zur Unentgeltlichkeit wieder dem Schenkungsteuerfinanzamt auferlegen kann. Hierzu bedarf es des substantiierten Sachvortrags greifbarer Anhaltspunkte, die die Annahme möglich erscheinen lassen, dass z.B. eine Geldhingabe darlehensweise erfolgte oder der Schenker die Unentgeltlichkeit seiner Leistung nicht erkannt haben könnte. Der bloße Hinweis darauf, dass nur Fremde beteiligt waren oder aufgrund entsprechend formulierter Verträge entgeltliche Leistungsbeziehungen zu vermuten seien, dürfte in diesem Zusammenhang gegenüber dem Steuergläubiger nicht genügen.
Rz. 114
Nur ein deutliches bzw. auffallendes Missverhältnis der Gegen-/Leistungen indiziert die Freigebigkeit des die Mehrleistung erbringenden Partners. Die Zivilgerichte gehen angeblich davon aus, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des Werts der Zuwendung beträgt, die Zuwendung damit wertmäßig die Gegenleistung um mehr als das Doppelte übersteigt (s. allerdings Rz. 116); arbeitsrechtlich liegt die Auffälligkeitsgrenze bei 2/3 der üblichen Vergütung. Ob es gelingt, die Schenkungsteuerstellen bei Wertdifferenzen unter 20 % von der Aufnahme eines Besteuerungsverfahrens abzuhalten, bleibt abzuwarten. Immerhin kann man sich nun auch auf den BFH stützen, der bei gemischten Schenkungen regelmäßig ein beachtliches Missverhältnis annehmen will, "wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20 bis 25 % unterschreitet" und daraus den widerlegbaren Schluss nicht nur auf die Unentgeltlichkeit der Zuwendung (s. Rz. 65), sondern auch ("d.h.") auf das entsprechende Bewusstsein des Zuwenders ableitet.
Rz. 115
Beachtlichkeit der Bedarfswerte: Gegenstand gemischter Schenkungen sind sehr häufig Immobilien, inländisches Betriebsvermögen, Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften sowie Beteiligungen an Personengesellschaften und Gesamthandsgemeinschaften. Sie sind mit ihren im Wege der Bedarfsbewertung gesondert und einheitlich festzustellenden Steuerwerten anzusetzen (§ 12 Abs. 2, 3, 5, 6 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG). Weil diese sog. Bedarfswerte seit 1.1.2009, verfassungsgemäß ermittelt in Anwendung typisierender Bewertungsmethoden, den gemeinen Werten entsprechen sollen, akzeptiert der BFH ihre Berücksichtigung auch im Rahmen der hier maßgebenden Differenzrechnung. Der jeweils festgestellte Steuerwert substituiert demnach den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Veräußerungspreis des Bewertungsgegenstands (s. § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) – mit Bindungswirkung für die Besteuerung.
- Die Bedarfswertbescheide sind sog. Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO), Einwendungen gegen die festgestellten Steuerwerte daher im Bedarfswertverfahren vorzubringen (§§ 152–156 BewG; §§ 351 Abs. 2 AO, 42 FGO).
- Als sog. Folgebescheide (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) können die Schenkungsteuerbescheide zwar grundsätzlich auch ohne vorherige Wertfeststellungen erlassen werden (§ 155 Abs. 2/§ 162 Abs. 5 AO). Kommt es jedoch zum Streit über ihre Rechtmäßigkeit, ist eine abschließende Entscheidung ohne Durchführung der notwendigen Bedarfsbewertungen nicht möglich (s. auch § 152 BewG Rz. 28 f.).
Beachten Sie: Jeder (geänderte) Bedarfswertbescheid beeinflusst den Umfang der steuerbaren Bereicherung (§ 10 Abs. 1 ErbStG; s. auch Rz. 64–66). Die Vermutung der Freigebigkeit gerät aber erst dann ins Wanken, wenn nun auch eine nur noch geringe Wertdifferenz der Gegen-/Leistungen resultiert. Meist wird man daher lediglich die Anpassung und keine Aufhebung der Steuerfestsetzung erreichen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).
Rz. 116
Im Falle vertraglicher Rechtsbeziehungen muss man alle (Gegen-/Leistungs-) Pflichten und Ansprüche miteinander vergleichen und darf einzelne Vertragsbestandteile grundsätzlich nicht isoliert betrachten. Auf § 7 Abs. 3 ErbStG ist hierbei hinzuweisen (s. Rz. 401 ff.). Allerdings sind keine genauen Wertvorstellungen des Schenkers vorauszusetzen, sondern verkehrsübliche Kriterien anzulegen. Dabei bleibt es auch, wenn man mit den Worten des BFH "die sonst übliche angemessene Gegenleistung" zum Vergleichsmaßstab macht; denn als solche gilt grundsätzlich für Wirtschaftsgüter ihr gewöhnlicher Verkaufspreis (§ 9 Abs. 2 BewG) und bei sonstigen Vorteilszuwendungen das ortsübliche Preisniveau (§ 15 Abs. 2 BewG). Die ersichtliche Orientierung der steuerlichen Bewertung an den gemeinen Werten hat somit zur Folge, dass der Schluss auf oder gegen die Freigebigkeit des Schenkers bei teilentgeltlichem Erwerb bewertungsbedürftigen Vermögens ohne die hierzu nötigen, vorgreiflichen, Wertfeststellungen ni...