I. Verhältnis von § 16 Abs. 2 ErbStG zu Europarecht
Rz. 35
Laut Gesetzesbegründung soll mit der Teilbetragsberechnung (Beispiel s. H E 16 ErbStH 2019) aus Gründen der Steuergerechtigkeit das Weltvermögensprinzip bei der unbeschränkten Steuerpflicht und das Inlandsprinzip der beschränkten Steuerpflicht (s. § 2 ErbStG Rz. 6 und 8) bezogen auf den persönlichen Freibetrag aufeinander abgestimmt werden. Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf im Urteil vom 18.12.2015 der Vorinstanz zum BFH-Urteil vom 10.5.2017 ist eine Kürzung des Freibetrags nicht unionsrechtskonform. Dazu hatte der BFH seinerzeit nicht Stellung nehmen müssen, weil das jetzige Gesetz nicht Gegenstand der Prüfung war.
Nach Darlegung des Gesetzgebers wäre es inkonsequent und gleichheitswidrig, wenn auch in den Fällen, in denen lediglich eine beschränkte Steuerpflicht besteht und folglich nur der Erwerb einzelner Vermögensgegenstände mit Inlandsbezug der Besteuerung unterworfen wird (s. §121 BewG bzw. § 2 ErbStG Rz. 97) der volle Freibetrag gewährt wird. Deshalb sei zur Vermeidung einer Inländerdiskrimimnierung der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG um den Teilbetrag zu mindern, der dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens, und derjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögenvorteile (Bruttowerte), die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallenen Vermögens entspricht.
Der persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG wird also nur anteilig gewährt, soweit er auf das Inlandsvermögen entfällt. Warum jedoch der Versorgungsfreibetrag nach§ 17 ErbSG für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe ohne Teilbetragsberechnung in voller Höhe gilt, bleibt vorerst noch unklar. Der BFH und eventuell der EuGH werden darüber zu befinden haben., was auch Auswirkungen auf die Auslegung des § 5 Abs. 1 ErbStG haben wird (s. Rz. 38).
II. Einbeziehung früherer Erwerbe
Rz. 36
Die Einbeziehung auch der früheren Erwerbe, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen, soll verhindern, dass durch Aufspaltung in zeitlich gestaffelte Zuwendungen die Besteuerung umgangen werden kann. Die früheren Erwerbe sind nach § 16 Abs. 2 Satz 3 ErbStG mit ihrem früheren Wert anzusetzen. Deren Wert im nachhinein festzustellen, dürfte wohl sehr aufwendig sein, und bei Auslandsvermögen zu Bewertungsdivergenzen führen bei Feststellung des gemeinen Werts (§§ 31, 9 BewG)., zumal mangels beschränkt steuerpflichtiger Erwerbe bis dahin keine Wertermittlung der ausländischen Vermögenswerte erforderlich war.
Außerdem erscheint die Auffassung der Finanzverwaltung in H E 16 ErbStH 2019 europarechtlich (Kapitalverkehrsfreiheit!) bedenklich, wonach die nicht im Inland steuerbaren Erwerbe wie z.B. die Schenkung eines ausländischen Familienheims voll anzurechnen ist, obwohl diese Zuwendung im Inland nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei wäre oder sogar bei einem vorher geerbten inländischen Grundstück, das zu Wohnzwecken vermietet war, der beim Erwerb (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG) gewährte Steuerbefreiungsabschlag von 10 % des Grundstückswerts nach § 13d ErbStG bei der Kürzung des Freibetrags unberücksichtigt bleibt, d.h. voll in die Teilbetragsrechnung eingeht.
Der Wortlaut des letzten Absatzes von H E 16 ErbStH 2019 ist folgender:
"Bei der Kürzung des Freibetrags nach § 16 Absatz 2 ErbStG bleibt unberücksichtigt, dass das im Jahr 2017 (Jahr zuvor – Anm. des Verf.) geschenkte Familienheim in Spanien nach § 13 Absatz 1 Nummer 4a ErbStG steuerfrei wäre, wenn es sich um einen Fall der unbeschränkten Steuerpflicht handeln würde. Auch die für das zu Wohnzwecken vermietete Grundstück vom Erwerb 2018 gewährte Steuerbefreiung nach § 13 d ErbStG bleibt bei Kürzung des Freibetrags unberücksichtigt."
Rz. 37
Nacherwerbe sind nicht einzubeziehen. Dies ergibt sich aus den Worten in § 16 Abs. 2 ErbStG "angefallen sind" im logischen Zusammenhang mit der Formulierung "in demselben Zeitpunkt", dass es nur um solche Erwerbe geht, die im Zuwendungszeitpunkt bereits erfolgt sind. Es fehlen sowohl die Angabe der danach geltenden Änderungsvorschriften und der Wertansätze für die Nacherwerbe. Außerdem dürfte der Gesetzgeber nach dem Debakel...