Rz. 45
Für die wirtschaftliche Einheit eines Grundstücks, dessen Gebäude, Gebäudeteile und Anlagen dem Zivilschutz dienen, kann – wie bei allen anderen Grundstücken – im Rahmen der Grundsteuerbewertung nach dem Bundesmodell kein Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes geführt werden. Anders als beispielsweise bei der Grundbesitzbewertung (vgl. § 198 BewG) ist es gesetzlich nicht vorgesehen, dass der Steuerpflichtige den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts führen kann, d.h. es gibt keine Escape-Klausel.
Rz. 46
Da keine gesetzliche Möglichkeit zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Grundsteuerbewertung aufgenommen wurde, bleiben mögliche Entscheidungen der Gerichte zur Verletzung des grundgesetzlichen Übermaßverbots abzuwarten (vgl. dazu z.B. Urteil des BFH vom 30.1.2019).
Rz. 47
Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Extrem über das normale Maß hinaus geht beispielsweise das 3-fache des gemeinen Werts bzw. das rund 1,4-fache eines sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswerts. Eine Bewertungsdifferenz von 10 % ist hingegen als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen.
Rz. 48
Der BFH hat mit Urteil vom 30.1.2019 in einem weiteren Fall seine Rechtsprechung zum grundgesetzlichen Übermaßverbot bestätigt. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert, der kurze Zeit nach dem Erbanfall im gewöhnlichen Geschäftsverkehr veräußerten land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen wesentlich niedriger ist als der nach § 166 BewG ermittelte Liquidationswert, kann der niedrigere gemeine Wert als Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer festgestellt werden. Im Streitfall betrug der vom Finanzamt nach § 166 Abs. 2 Nr. 1 BewG ermittelte und angesetzte Wert das 1,55-fache des durch den zeitnahen Verkauf nachgewiesenen tatsächlich erzielten Veräußerungserlöses.
Rz. 49
Um einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zu verhindern, ist nach Auffassung des BFH der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts bei verfassungskonformer Auslegung auch dann geboten, wenn er nach dem Wortlaut des Bewertungsgesetzes nicht vorgesehen ist. Diese ursprünglich zur pauschalierten Bewertung von erbbaurechtsbelasteten Grundstücken ergangene Rechtsprechung gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nach dem Bewertungsstichtag veräußert hat und der Wert für dieses Grundstück nach § 166 Abs. 2 BewG zu ermitteln ist (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 166 BewG Rz. 29). Aufgrund des greifenden Übermaßverbots war der Grundbesitzwert in dem o.g. Fall (nur) in Höhe des Veräußerungserlöses anzusetzen.
Rz. 50
Vergleichbare Anwendungsfälle sind auch bei der Grundsteuerbewertung des Grundvermögens denkbar. Mögliche Klageverfahren bleiben abzuwarten.