aa) grundsätzlicher Prüfungsansatz
Rz. 77
Un-/Entgeltlichkeit bedeutet Un-/Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung. Die hierbei vorzunehmende Prüfung geschieht regelmäßig anhand der zivilrechtlichen Rechtslage nach Maßgabe der herrschenden Zivilrechtsprechung – aber unter vorrangiger Beachtung der tragenden Grundsätze des Schenkungsteuerrechts; das sind insbesondere das Bereicherungsprinzip und das Stichtagsprinzip. Danach ist dogmatisch zwischen synallagmatischer, konditionaler und kausaler Un-/Abhängigkeit der beiderseitigen Leistungen zu unterscheiden. – Beachten Sie: Bisweilen verzichtet der II. BFH-Senat allerdings auf die nötige Prüfung der rechtlichen Verknüpfung der beiderseitigen Gegen-/Leistungen und präferiert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, um zu einer "zutreffenden Beurteilung" zu gelangen. Dieser am gewünschten Ergebnis orientierte Lösungsweg ist abzulehnen; er ist unvereinbar mit der Einordnung der Schenkungsteuer als sog. Verkehrsteuer.
Rz. 78
Einstweilen frei.
bb) Synallagmatische Abhängigkeit
Rz. 79
Paradebeispiel eines synallagmatischen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung ist der Kaufvertrag, ein gegenseitiger Vertrag (§§ 320–326 BGB), bei dem die vertragstypischen Hauptleistungspflichten der Beteiligten – des Verkäufers zur Besitzübergabe und Eigentumsverschaffung der Sache (§ 433 Abs. 1 BGB) und des Käufers zur Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB) – final miteinander verknüpft, also Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 UStG der jeweils eigenen Leistung sind. Die Vertragspartner sind einander zugleich Gläubiger und Schuldner, die ihre Leistungspflichten übernommen haben um die Gegenleistung zu erhalten/beanspruchen. Ob und inwieweit ein derart entgeltlicher Leistungsaustausch vorliegt, ist daher insbesondere anhand der maßgeblichen schuldrechtlichen Vereinbarungen zu prüfen. Beachten Sie: Geht es um Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaftern und ihren Gesellschaften, können selbstverständlich auch die gesellschaftsvertraglichen Regelungen relevant sein.
Rz. 80
Wesentlich für das Gegenseitigkeitsverhältnis ist dabei das Recht jedes Partners die eigene Leistung bei Nichterbringung der Gegenleistung verweigern zu dürfen und die Pflicht sie zu erbringen, wenn der andere Partner seinerseits vorgeleistet hat (Zug-um-Zug-Prinzip; §§ 320–323 BGB). Vorleistungen sind, falls vertraglich erlaubt, selbstverständlich entgeltlich. Sie führen dann nicht zu einer unentgeltlichen Bereicherung des Empfängers, wenn und soweit er die ihm obliegenden Leistungen alsbald vertragsgemäß vornimmt und damit seinerseits den Erfüllungsanspruch des Vorleistenden in entgeltlicher Weise tilgt (§ 362 Abs. 1 BGB). Auch beim bloßen Ausbleiben der Gegenleistung muss die Leistung noch nicht unentgeltlich sein. Verzichtet der (vor)leistende Partner jedoch auf seine Gegenleistungsforderung, wirkt sich die damit verbundene Korrektur des Entgelts nicht nur ggf. umsatzsteuerlich aus (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Im Umkehrschluss hieraus hat der Verzichtende seinerseits nunmehr auch konsequent objektiv unentgeltlich geleistet (s. auch Rz. 31, 416). Erst recht gilt dies, wenn der Leistungserbringer von einer Entgeltvereinbarung absieht ("konkludente Schenkungsabrede") oder ein außergewöhnlich niedriges, lediglich symbolisches Entgelt verlangt.
Rz. 81
Nachträgliche und zusätzliche Leistungen werden unentgeltlich erbracht, soweit sie vertraglich nicht geschuldet sind, wobei – im Hinblick auf die Freigebigkeit – regelmäßig davon auszugehen ist, dass jeder Partner seine Vertragspflichten kennt. In Zweifelsfällen hilft die Frage, ob der Vorteilsempfänger im Falle des Ausbleibens der (Gegen-)Leistung eine Entschädigung verlangen kann oder seine eigenen Leistungspflichten reduzieren darf. Heißt die Antwort Ja, besteht ein synallagmatischer Zusammenhang. Ein Nein bestätigt die Unentgeltlichkeit der Vorteilsgewährung; die Vermögensmehrung beruht insoweit nicht auf einem entgeltlichen Rechtsanspruch des Erwerbers gegenüber dem Schenker. Ob die Beteiligten einander nahe stehen...