Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 16
Der auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens (Jahresrohmiete × Vervielfältiger) für das Wohnungseigentum und das Teileigentum ermittelte Wert umfasst den Wert des Sondereigentums einschließlich des Miteigentumsanteils am Grund und Boden und der sonstigen gemeinschaftlichen Anlagen; ein zusätzlicher Ansatz für den Wert des Miteigentumsanteils kommt somit nicht in Betracht. Bei der Bewertung in der angeführten Weise wird bei dem einzelnen Eigentümer der Eigentumswohnung sein Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum nur dann zutreffend erfasst, wenn die im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile dem Verhältnis des Mietwerts (Jahresrohmiete) der Eigentumswohnung entsprechen. Bei einer Abweichung kann nach § 93 Abs. 3 Satz 1 BewG der Wert des Miteigentumsanteils nach den grundbuchamtlichen Anteilen erfaßt werden. Da es sich hier um eine Kannvorschrift handelt, konnten die BewRGr. in Abschn. 49 Abs. 4 anordnen, dass nur bei einer erheblichen Abweichung des Hundertsatzes der einzelnen Miteigentumsanteile vom Verhältnis der Jahresrohmieten die Vorschrift des § 93 Abs. 3 Satz 1 BewG angewendet werden soll. In diesen Fällen wäre wie folgt zu verfahren:
Zunächst müsste für jedes Wohnungseigentum (Teileigentum) der Betrag ermittelt werden, mit dem der Miteigentumsanteil in dem nach der Jahresrohmiete errechneten Wert enthalten ist. Dieser Betrag wäre von dem für das Wohnungseigentum festgestellten Wert abzuziehen. Sodann wäre der Gesamtwert aller Miteigentumsanteile im Verhältnis der nach der Eintragung im Grundbuch auf die einzelnen Miteigentumsanteile entfallenden Anteile aufzuteilen und der sich so für das einzelne Wohnungseigentum (Teileigentum) ergebende Wert des Miteigentumsanteils dem wie vor gekürzten Wert hinzuzurechnen.
Dieses Verfahren bereitet Schwierigkeiten, weil ermittelt werden müsste, mit welchem Wert die zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Bauteile (vgl. Rz. 3–3.2) im festgestellten Wert für das Wohnungseigentum enthalten sind. Das ist praktisch kaum möglich bzw. mit solchen Unsicherheitsfaktoren verbunden, die das Ergebnis mehr als fraglich erscheinen lassen. Anders ist es beim Grund und Boden, der ebenfalls im gemeinschaftlichen Eigentum steht, weil der Bodenwertanteil am Einheitswert ohne Schwierigkeit ermittelt werden kann (vgl. hierzu § 78 BewG Rz. 18). Deshalb wird man sich in der Praxis bei der Anwendung des § 93 Abs. 3 Satz 1 BewG auf das gemeinschaftliche Eigentum am Grund und Boden beschränken können.
Beispiel:
Bebautes Grundstück mit Eigentumswohnung. Nachkriegsbau in Massivbauweise, Gemeindegröße 220.000 Einwohner. Jede Eigentumswohnung ist der Grundstücksart nach ein Einfamilienhaus. Es ist somit der Vervielfältiger für Mietwohngrundstücke anzuwenden, der im Beispiel 9 beträgt (§ 80 BewG i.V.m. Anlage 3 des BewG). Im Grundbuch eingetragener Miteigentumsanteil je ein Drittel. Als Jahresrohmieten sind anzusetzen für die Eigentumswohnung A 4.800 DM, für die Eigentumswohnung B 4.200 DM und für die Eigentumswohnung C 3.000 DM. Der Multiplikator zur Ermittlung des Bodenwertanteils ist 0,91 (vgl. Tabelle bei § 78 BewG Rz. 18).
Wohnungseigentum A |
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4.800 DM × 9 |
= |
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43.200 DM |
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Bodenwertanteil |
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4.800 DM × 0,91 |
= |
./. |
4.368 DM |
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Wert des Wohnungseigentums ohne Anteil am |
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gemeinschaftlichen Grund und Boden |
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38.832 DM |
Wohnungseigentum B |
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4.200 DM × 9 |
= |
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37.800 DM |
Bodenwertanteil |
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|
4.200 DM × 0,91 |
= |
./. |
3.822 DM |
Wert des Wohnungseigentums ohne Anteil am gemeinschaftlichen Grund und Boden |
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33.978 DM |
Wohnungseigentum C |
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3.000 DM × 9 |
= |
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27.000 DM |
Bodenwertanteil |
|
|
|
3.000 DM × 0,91 |
= |
./. |
2.730 DM |
Wert des Wohnungseigentums ohne Anteil am gemeinschaftlichen Grund und Boden |
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24.270 DM |
Gesamtbetrag der Bodenwertanteile |
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A |
= |
4.368 DM |
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B |
= |
3.822 DM |
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C |
= |
2.730 DM |
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10.920 DM |
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Nach der grundbuchamtlichen Eintragung entfallen auf A, B und C je ein Drittel = 3.640 DM
Die Einheitswerte wären somit festzustellen (abgerundet) für:
Wohnungseigentum A |
38.832 DM |
+ |
3.640 DM |
= |
42.400 DM |
Wohnungseigentum B |
33.978 DM |
+ |
3.640 DM |
= |
37.600 DM |
Wohnungseigentum C |
24.270 DM |
+ |
3.640 DM |
= |
27.900 DM. |
Das Beispiel zeigt, dass selbst bei größerem Unterschied in der Miethöhe durch die Anwendung des § 93 Abs. 3 Satz 1 BewG sich keine nennenswerte Änderung des Einheitswerts ergibt. § 93 Abs. 3 Satz 1 BewG als Kannvorschrift dürfte wohl dann nicht greifen, wenn die abweichende Miete in den Besonderheiten der Eigentumswohnung – wie z.B. in der Finanzierungsart oder der Ausstattung – ihre Grundlage hat.