Rz. 1700
Infolge des bei Kapitalgesellschaften anzuwendenden "Trennungsprinzips" bildet der Anteil an einer Kapitalgesellschaft ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Die einer Kapitalgesellschaft (i.S.v. § 39 AO) gehörenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter (Vermögensgegenstände und Schulden) sind ihr selbst und nicht – anteilig – den Anteilseignern zuzurechnen. Vermögensinhaberin in Bezug auf die aktiven Wirtschaftsgüter und Schuldnerin der sie treffenden Verbindlichkeiten ist die Kapitalgesellschaft selbst, nicht sind Vermögensinhaber die hinter ihr stehenden Anteilseigner. Den Erwerbsgegenstand i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts bildet folglich der Anteil an der Kapitalgesellschaft selbst und nicht etwa ein – wie dargelegt – nicht existierender Anteil des Anteilseigners am (Rein-)Vermögen der Kapitalgesellschaft oder gar an den einzelnen aktiven Wirtschaftsgütern und Schulden. Gleichwohl wird der Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft aus dem zunächst zu ermittelnden gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft abgeleitet.
Rz. 1701
§ 97 Abs. 1b BewG ist durch Art. 2 Nr. 6 ErbStRG v. 24.12.2008 in das Gesetz eingefügt worden. Zuvor war das Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an Kapitalgesellschaften nicht im Gesetz geregelt. Maßgebend war insoweit das in den Vermögensteuerrichtlinien und Erbschaftsteuerrichtlinien (R. 97 ff. ErbStR 2003) niedergelegte Stuttgarter Verfahren. Danach wurde der gemeine Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft in einem Prozentsatz bezogen auf das Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) der Gesellschaft ausgedrückt.
Rz. 1702
Nach dem aktuellen, grundsätzlich ab 1.1.2009 anzuwendenden Bewertungsrecht wird der gemeine Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht mehr in einer prozentualen Größe, sondern in einem absoluten Betrag berechnet. Diese Rechnung vollzieht sich in zwei Schritten:
Rz. 1703
Zunächst wird nach § 11 Abs. 2 BewG der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft ermittelt. In einem zweiten Schritt wird der Wert des betreffenden Kapitalgesellschaftsanteils nach dem Verhältnis des übergegangenen bzw. übertragenen Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft bestimmt (vgl. hierzu auch die Regierungsbegründung in BT-Drucks. 16/11107, S. 16).
Rz. 1704
Besonderheiten bestehen bei der Aufteilung des Unternehmenswerts einer KGaA. Hier ist in einem ersten Schritt nach den in § 97 Abs. 1a BewG dargelegten Regelungen der Gesamtunternehmenswert in die auf die Komplementäre entfallenden Unternehmenswertanteile, soweit deren Einlagen nicht auf das Grundkapital geleistet wurden und damit deren eventuelle gleichzeitige Beteiligung als Kommanditaktionäre betreffen, einerseits und den auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfallenden Unternehmenswertanteil andererseits aufzuteilen (vgl. dazu schon oben, Rz. 282).
Rz. 1705
In einem zweiten Schritt ist sodann der auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfallende Unternehmenswertanteil nach Maßgabe des § 97 Abs. 1b BewG auf die Kommanditaktionäre zu verteilen.
Rz. 1706– 1714
Einstweilen frei.