Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 60
§ 157 Abs. 1 BewG trifft die wichtige Entscheidung, dass bei der Feststellung von Grundbesitzwerten sowohl die Wertverhältnisse als auch die tatsächlichen Verhältnisse im Bewertungsstichtag zu Grunde zu legen sind. Damit hat der Gesetzgeber die in § 138 Abs. 1 BewG geltende Regelung übernommen und nicht (wie bei der Einheitsbewertung) zwischen der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse differenziert.
Rz. 61
Eine abweichende Maßgeblichkeit zwischen dem Zeitpunkt der Wertverhältnisse und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verhältnisse hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Der Vorteil einer Differenzierung ist ursprünglich darin gesehen worden, dass ein konstanter Zeitpunkt bei den Wertverhältnissen zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands beitragen könne. Die Entwicklung der Immobilienpreise vollzieht sich im Allgemeinen nur allmählich, so dass ein konstanter Zeitpunkt für die Wertverhältnisse für einen bestimmten Zeitraum durchaus hinnehmbar erscheint. Bei der Einführung der Bedarfsbewertung zum 1.1.1996 bestand u.a. die Notwendigkeit, erstmalig ein hinreichend dichtes Netz an aktuellen Bodenrichtwerten sicherzustellen, mit der die für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer erforderlichen Bewertungsaufgaben erfüllt werden konnten. Insoweit erschien es tatsächlich als Verwaltungsvereinfachung, in einer ersten Stufe ausschließlich auf die Wertverhältnisse zum 1.1.1996 abzustellen und nur für diesen Stichtag eine hinreichende Netzdichte an Bodenrichtwerten zu erreichen.
Rz. 62
Dennoch hat sich die Maßgeblichkeit eines fixen Zeitpunkts für die Wertverhältnisse als nachteilig erwiesen. Der ganz wesentliche Grund liegt in der Tatsache, dass die Wertverhältnisse eines bestimmten Zeitpunkts nicht über einen längeren Zeitraum hinweg akzeptabel sind, weil sich wegen des fortschreitenden Zeitablaufs die Gefahr einer schleichenden Unterbewertung ergibt. Die Aktualisierung eines festen Zeitpunkts für die Wertverhältnisse setzt eine Änderung des Bewertungsgesetzes voraus. Eine derartige Änderung löst im Allgemeinen kontroverse Diskussionen über Steuererhöhungen aus.
Rz. 63
Somit handelt es sich bei der Änderung eines feststehenden Zeitpunkts für die Wertverhältnisse regelmäßig um eine ausschließlich unpopuläre Gesetzesänderung, die vom jeweiligen Gesetzgeber nicht mit Begeisterung aufgegriffen wird. U.U. begnügt sich der Gesetzgeber mit einer bloßen Verlängerung der Geltungsdauer. Eine ähnliche Entscheidung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes getroffen, indem die Bedarfsbewertung nach § 138 ff. BewG, die bis zum 31.12.2001 befristetet war, um weitere fünf Jahre bis zum 31.12.2006 verlängert wurde. Letztlich hat diese Problematik auch dazu beigetragen, dass die Einheitswerte auf der Wertbasis des 1.1.1964 auch noch bis zum Ablauf des Jahres 2024 gelten.
Rz. 64
Mit dem Jahressteuergesetz 2007 hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, stets die Wertverhältnisse und die tatsächlichen Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt zu Grunde zu legen. Damit hat sich der Gesetzgeber von der bisherigen zeitlichen Differenzierung gelöst.
Rz. 65
Diese Regelung übernimmt § 157 BewG und verzichtet auf einen starren Zeitpunkt bezüglich der Wertverhältnisse. Die Identität zwischen dem für die Wertverhältnisse und dem für die tatsächlichen Verhältnisse maßgebenden Zeitpunkt zeichnet das gesamte Konzept des § 157 BewG aus. Die Identität gilt also nicht nur bei der Bewertung des Grundbesitzes, sondern auch bei der Bewertung der betrieblichen Vermögen.
Rz. 66– 67
Einstweilen frei.