Rz. 33
Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind solche, deren Ende von Ereignissen abhängt, von denen ungewiss ist, ob und wann sie eintreten werden.
Rz. 34
Beispiel:
Einem Verein ist das Recht eingeräumt, während der Dauer seines Bestehens ein bestimmtes Grundstück unentgeltlich und uneingeschränkt für seine Zwecke zu benutzen.
Zu den Begriffen "immerwährende" Nutzungen oder Leistungen bzw. Nutzungen oder Leistungen von "unbestimmter Dauer" hat der RFH ausgeführt:
"Bei der Auslegung dieser Bezeichnungen ist zunächst zu beachten, dass es "immerwährende" Nutzungen oder Leistungen im strengsten Wortsinn, etwa gleich dem philosophischen Begriffe der Ewigkeit oder Zeitlosigkeit, überhaupt nicht gibt. Alle Nutzungsrechte oder Leistungsverpflichtungen werden irgendeinmal, zu irgendeinem, wenn auch noch so fernliegenden Zeitpunkt aufhören, sei es dadurch, dass der Gegenstand der Nutzung untergeht oder wertlos wird (z.B. eine Geldleistung durch Geldentwertung) oder der Staat oder die Rechtsordnung, welche die Leistung oder das Nutzungsrecht ermöglichen, durch äußere oder innere Umwälzungen vernichtet wird, oder dass die Nutzungsberechtigten wegfallen. Demnach sind auch "immerwährende" Nutzungen insofern von "unbestimmter" Dauer, als die Möglichkeit ihrer Endigung stets besteht. Unter immerwährenden Nutzungen und Leistungen können folglich nur solche verstanden werden, deren Ende nicht abzusehen ist, deren Wegfall von Ereignissen abhängt, von denen ungewiss ist, ob und wann sie eintreten werden (dies incertus an et quando). Als Nutzungen und Leistungen von "unbestimmter" Dauer bleiben somit nur diejenigen übrig, bei denen das Ende der Leistung oder Nutzung in absehbarer Zeit sicher, aber der Zeitpunkt unbestimmt ist (dies certus an, incertus quando)."
Rz. 35
In diesem Urteil ist weiter dargestellt, dass eine immerwährende Nutzung nur dann anzunehmen sein werde, wenn die Nutzung nach dem Tode des jeweils Berechtigten auf unbegrenzte Zeit seinen Erben oder Blutsverwandten zufalle. Eine Leistung könne für den Verpflichteten eine immerwährende, für den Empfänger der Leistung eine auf bestimmte Zeit, auf Lebenszeit beschränkte oder eine Nutzung von unbestimmter Dauer sein, so z.B. wenn bestimmt sei, dass eine Nutzung zunächst einer bestimmten Person und ihren noch zu erwartenden Kindern, nach deren Tode aber einer Stadtgemeinde zustehen solle.
Rz. 36
Der RFH hat diese Auffassung in späteren Urteilen nicht aufrechterhalten. Er ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass wiederkehrende Leistungen beim Verpflichteten im allgemeinen steuerlich dann nicht als "immerwährend" anzusehen sind, wenn sie beim Berechtigten solche von "unbestimmter Dauer" sind.
Rz. 37
Der BFH hat sich dieser Auffassung angeschlossen und entschieden, dass wiederkehrende Leistungen einer Stiftung, die jeweils an bestimmte älteste Mitglieder einer Familie zu erbringen sind, keine immerwährenden Leistungen sind, sondern solche von "unbestimmter Dauer" an die am Stichtag Berechtigten. Leistungen an Familienmitglieder, die erst in Zukunft in den Genuss des Stiftungsrechts kommen, seien dadurch aufschiebend bedingt, dass diese Familienmitglieder die gegenwärtig Bezugsberechtigten überleben. Diese Auffassung erscheint deshalb überzeugend, weil einem Vermögensträger nicht Vermögenswerte zugerechnet werden können, die in seiner Person nicht entstehen. Würde man in dem entschiedenen Fall immerwährende Rechte auf wiederkehrende Leistungen annehmen, so würden sich auf den zu versteuernden Wert des Bezugsberechtigten Leistungen auswirken, die er offensichtlich nicht erhalten kann.
Rz. 38
Eine immerwährende Leistung liegt – trotz der Möglichkeit einer Ablösung – auch dann vor, wenn ein Grundstück in der Weise belastet wird, dass in regelmäßig wiederkehrenden Terminen eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Rentenschuld §§ 1199 ff. BGB). Mit der Kündigung aufgrund des Ablösungsrechts (§ 1201 BGB) wandelt sich die immerwährende Leistung in eine einmalige Leistung i.H. der Ablösungssumme um. Auch eine reine Zinsverpflichtung kann so ausgestaltet sein, dass eine immerwährende Leistung vorliegt.
Rz. 39
War das Erlöschen des einer Stiftung zustehenden Grundstücksnießbrauchs – einer immerwährenden Nutzung – am Bewertungsstichtag voraussehbar, so verliert dieses Recht seine bisherige Eigenschaft als immerwährende Nutzung. Da das Ende des Grundstücksnießbrauchs in absehbarer Zeit sicher, jedoch nur der Zeitpunkt des Wegfalls ungewiss war, lag am Stichtag nur eine Nutzung von unbestimmter Dauer i.S. des § 13 Abs. 2 Halbs. 2 BewG, keine immerwährende Nutzung vor.