Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 36
Wird auf einem unbebauten Grundstück ein Gebäude errichtet, für das sich nach Fertigstellung eine übliche Miete ermitteln lässt, ist das im Besteuerungszeitpunkt noch nicht bezugsfertige Gebäude zusammen mit dem Grund und Boden wie folgt zu bewerten:
Für die Ermittlung des Grundstückswerts müssen zwei Berechnungsgrößen ermittelt werden, und zwar der Wert des Grund und Bodens und der Wert der Gebäudesubstanz im Besteuerungszeitpunkt.
1. Wert des Grund und Bodens
Rz. 37
Der Wert des Grund und Bodens wird wie bei der Bewertung eines unbebauten Grundstücks nach § 145 Abs. 3 BewG ermittelt. Maßgebend dafür ist die Grundstücksfläche und der um 20 % ermäßigte Bodenrichtwert. Ggf. ist der Bodenrichtwert wegen der Aufteilung in Vorder- und Hinterland, wegen der Berücksichtigung abweichender Geschossflächenzahlen oder bei Ansatz größenabhängiger Umrechnungsfaktoren zu korrigieren. Hat der Grundstückseigentümer das Grundstück innerhalb eines Jahres vor dem Besteuerungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erworben und liegt der Kaufpreis unter dem Steuerwert nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG, kann der Kaufpreis als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts dienen. Eine Anpassung des Kaufpreises an die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt – dieser ist als Wertermittlungsstichtag maßgebend – ist nicht vorzunehmen.
Denn ein Kaufpreis kann nur dann als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts herangezogen werden, wenn er in einer derart hinreichenden Stichtagsnähe zustande gekommen ist, dass der Kaufpreis den gemeinen Wert in Besteuerungszeitpunkt widerspiegelt. Sofern sich beispielsweise die maßgebenden Stichtagsverhältnisse geändert haben, hat der Kaufpreis für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts keine ausreichende Aussagekraft. Die Finanzverwaltung erkennt – zumindest im Anwendungsbereich des § 198 BewG – Kaufpreise als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts an, wenn diese innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor oder nach den Besteuerungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden sind. Der Zeitraum kann auch länger sein, sofern sich die maßgebenden Stichtagsverhältnisse nicht geändert haben.
Rz. 38
Der Umstand, dass ein Grundstück mit einem Gebäude bebaut ist, das vor Durchführung der Baumaßnahme abgerissen wird, führt bei der Ermittlung des Werts des Grund und Bodens zu keiner Wertminderung. Maßgebend für die Berechnung des Werts des Grund und Bodens ist der Zustand nach Abbruch des Gebäudes. Weist der Grundstückseigentümer gegenüber dem Finanzamt einen niedrigeren stichtagsnahen Kaufpreis nach, kann dieser nicht als Wert für das unbebaute Grundstück nach Abbruch des Gebäudes zugrunde gelegt werden, wenn in ihm der Wert des abgerissenen Gebäudes enthalten ist. Akzeptiert die Finanzverwaltung den stichtagsnahen Kaufpreis als Nachweis, wäre es m.E. nicht akzeptabel – den Gebäudewertanteil im Schätzungswege herauszurechnen, zumal ein Gebäudewertanteil, der im Wege der Schätzung zu ermitteln ist, von einer Mehrzahl individueller Besonderheiten abhängt, sodass die bereits Anerkennung eines Kaufpreises als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts versagt werden muss. Es ist daher zu vermuten, dass in der Praxis ein Sachverständigengutachten erforderlich ist.
2. Wert der im Besteuerungszeitpunkt geschaffenen Bausubstanz
Rz. 39
Die im Besteuerungszeitpunkt neu geschaffene Bausubstanz ist aus dem Grundstückswert nach Fertigstellung des Gebäudes zu ermitteln. Die Bewertung erfolgt hier im Ertragswertverfahren, und zwar unter Ansatz der üblichen Miete, die im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes zu erzielen wäre (§ 149 Abs. 2 Satz 1 BewG). Hierbei handelt es sich um eine Stichtagsmiete. Diese Stichtagsmiete wird i.d.R. aus Mietspiegeln oder aus Vergleichsmieten abgeleitet. Dies setzt voraus, dass dem Finanzamt bei Durchführung der Grundstücksbewertung solche Mietansätze bekannt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, muss entweder die Feststellung des Grundstückswerts zurückgestellt oder es muss eine vorläufige Grundstücksbewertung durchgeführt werden.
In der Praxis wird ohnehin eine endgültige Bewertung nur mit einer gewissen Zeitverzögerung möglich sein. Denn im Besteuerungszeitpunkt sind die Herstellungskosten bis zur Fertigstellung im Einzelfall mitunter noch nicht bekannt, sodass die endgültige Fertigstellung abgewartet werden muss. Erfolgt die Feststellung des Grundbesitzwerts für das Gebäude im Zustand der Bebauung dennoch bereits zeitnah zum Besteuerungszeitpunkt, muss die Berichtigung des festgestellten Werts verfahrensrechtlich – beispielsweise durch eine Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO – sichergestellt werden.
Rz. 40
Besondere Bedeutung hatte die Frage der üblichen Miete in den Fällen, in denen Grundstücke auf dem regionalen Mietenmarkt teils vermietet und teils nicht vermietet sein können, als die Finanzverwaltung noch von einem Mischverfahren ...