Rz. 181
Unabhängig davon, ob im Einzelfall die Voraussetzungen der einzelnen Katalogtatbestände des § 5 Abs. 1 Nr. 1-4 GrStG für eine Grundsteuerbefreiung erfüllt sind, sind Wohnungen gemäß § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig. Damit wird durch § 5 Abs. 2 GrStG für Wohnungen ein vollständiger Ausschluss der Steuerbefreiung für Zwecke der Grundsteuer vorgegeben.
Rz. 182
Der rechtlichen Einordnung als Wohnung i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG steht es nicht entgegen, wenn die Überlassung von Räumlichkeiten zu Wohnzwecken an Dritte in Erfüllung von öffentlichen, mildtätigen oder gemeinnützigen Aufgaben (z.B. zur Vermeidung von Obdachlosigkeit der dort untergebrachten Personen) erfolgt. Unter den Begriff der Wohnung fallen Räumlichkeiten z.B. auch dann, wenn sie durch eine gemeinnützige Körperschaft an kinderreiche Familien oder Schulklassen vermietet werden. Insoweit hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, dass bei Räumlichkeiten, die den Begriff der Wohnung erfüllen, stets von der Maßgeblichkeit des Wohnzwecks – unabhängig von den tatsächlichen Umständen im Einzelfall – mit der Folge einer Grundsteuerpflicht auszugehen ist. Ob eine Grundsteuerbefreiung bei Überlassung von Wohnungen in Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke sozial- oder finanzpolitisch wünschenswert wäre, ist grundsteuerrechtlich ohne Bedeutung und kann daher auch nicht durch die Finanzrechtsprechung berücksichtigt werden.
Rz. 183
Angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 5 Abs. 2 GrStG kommt es nicht darauf an, wie das Rechtsverhältnis zwischen Grundstückseigentümer und den Personen, denen die Räume zu Wohnzwecken überlassen werden, geregelt ist. Dies betrifft insb. rechtliche Vereinbarungen bzw. Vorgaben betreffenden der Ausgestaltung der Nutzung im Einzelfall. Z.B. kann die durch Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch abgesicherte Nutzungsbeschränkung alleine für sich genommen dem Vorliegen einer Wohnungen nicht entgegenstehen, sofern die übrigen typologischen Anforderungen an eine Wohnung erfüllt sind. Auch die Tatsache, dass die Überlassung von Räumlichkeiten zu Wohnzwecken dem öffentlichen Recht unterliegt, schließt das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals Wohnung nicht aus. Maßgebend für die steuerliche Beurteilung ist allein die objektive Beschaffenheit der Räumlichkeiten.
Rz. 184
Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 GrStG impliziert die Notwendigkeit der Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals Wohnung gegenüber anderen Nutzungsformen von Räumlichkeiten. In Anbetracht des Ausnahmecharakters einer Grundsteuerbefreiung erscheint es erforderlich, im Rahmen der gesetzlichen Auslegung die Anforderungen an den Begriff der Wohnung i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG nicht zu restriktiv vorzugeben. Zu berücksichtigen ist, dass Wohnen als eine wesentliche menschliche Daseinsform ein allgemeines Bedürfnis darstellt und dabei viele unterschiedliche Facetten sowie Niveaus aufweisen kann. Vor diesem Hintergrund ist ein weiter Anwendungsbereich und damit eine weite Auslegung des Begriffs der Wohnung erforderlich. Als Konsequenz bedeutet dies, dass sich die Prüfung der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Wohnung im Einzelfall stets nur an den durch die Finanzrechtsprechung entwickelten Mindestanforderungen zur Annahme einer Wohnung i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG zu orientieren hat.
Rz. 185
Subjektive, auf individuelle Präferenzen abstellende Merkmale sind nicht als geeignet anzusehen, den Begriff der Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne zu definieren. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine Wohnung einem aktuellen Wohnstandard entspricht bzw. nach deren derzeitigem Zustand tatsächlich nicht vermietbar ist. Zu berücksichtigen allerdings ist, wenn nach öffentlichem Baurecht der Aufenthalt von Menschen in der Wohnung untersagt wird.
Rz. 186
Eine gerichtliche Überprüfung von § 5 Abs. 2 GrStG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen einer finanzgerichtlichen Entscheidung beschränkt sich ausschließlich darauf, ob die gesetzliche Regelung willkürlich ist oder auf einem sachgerechten Grund beruht. Insoweit verstößt z.B. eine Versagung der Grundsteuerbefreiung bei Wohnungen in Altenheimen bzw. Altenwohnheimen durch § 5 Abs. 2 GrStG nicht gegen Art. 3 GG. Ein Entfallen der Grundsteuer für sämtliche Formen des Wohnens würde im Ergebnis den Zweck der Grundsteuer als einem maßgeblichen Finanzierungsinstrument der Kommunen in Frage stellen.
Rz. 187
Aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgt nicht, dass der Gesetzgeber gehalten ist, von einer gesetzlichen Regelung abzusehen, die im Einzelfall in Widerspruch zu Billigkeitsaspekten stehen kann. Ein Verstoß gegen das grundgesetzlich geschützte Sozialstaatsprinzip kann z.B. nicht dadurch begründet werden, dass Wohnungen in einem Altenheim bzw. Altenwohnheim an Personen mit regelmäßig geringen Einkünften vermietet werden und die Belastung der Appartements mit Grundsteuer möglicherweise ...