Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Rz. 1
Mit § 1 GrStG beginnt der erste Abschnitt des Grundsteuergesetzes zur Regelung der Steuerpflicht. Als zentrale Vorschrift des Grundsteuergesetzes richtet sich danach die Erhebung der gemeindlichen Grundsteuer aus. Die Grundsteuer ist eine Vermögensteuer, die am Grundbesitz unabhängig von der Person des Eigentümers und dessen Einkommensverhältnissen anknüpft. Das Aufkommen der Realsteuer steht nach Art. 106 Abs. 6 GG den Gemeinden als kleinste Gebietskörperschaften zu. Die Besonderheit der Grundsteuer besteht darin, dass es den rd. 10.800 Gemeinden in Deutschland überlassen bleibt, ob und in welcher Höhe eine Grundsteuer erhoben wird. Das ist Ausdruck der Finanzhoheit als Element grundgesetzlich garantierter kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG). In welchem Ausmaß die Gemeinden zur Deckung ihres Finanzbedarfs ihre Steuerquellen heranziehen wollen, steht in deren Ermessen. Es bedarf somit einer ergänzenden Rechtsetzung der Gemeinden im Rahmen ihrer auf Art. 28 Abs. 2 GG gegründeten Befugnisse, die sich auf Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG stützt. § 1 GrStG normiert dies entsprechend auf einzelgesetzlicher Ebene und kennzeichnet die Grundsteuer deutlich als Kommunalsteuer.
Rz. 2
Die Grundsteuer unterliegt als Realsteuer i.S.d. § 3 Abs. 2 AO, bei der die Besteuerungsgrundlage der Wert des Steuergegenstandes und nicht, wie bei den Personalsteuern, die Leistungsfähigkeit oder sonstige persönliche Eigenschaften des Steuerschuldners bilden, der konkurrierenden Gesetzgebung. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b GG) v. 15.11.2019 wurde die uneingeschränkte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Grundsteuer in Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG explizit verankert. Zuvor war die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Schrifttum umstritten. Das BVerfG hat im Urteil v. 10.4.2018 die Frage nach der Zuständigkeit für eine gesetzliche Neuregelung offengelassen. Neben der nunmehr geregelten Kompetenz des Bundes haben die Länder nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG die Befugnis zur abweichenden Gesetzgebung über die Grundsteuer. Diese Regelungskompetenz ist umfassend, was in der Gesetzesbegründung wenig überzeugend mit der bisherigen Systematik bundeseinheitlicher Steuergegenstände und Bemessungsgrundlagen auf der einen und der Hebesatzautonomie der Gemeinden auf der anderen Seite bei Grund- und Gewerbesteuer gerechtfertigt wird. Tatsächlich verbirgt sich dahinter der politische Kompromiss, der die Grundsteuerreform Ende 2019 überhaupt erst ermöglichte. Durch die Grundgesetzänderung können die Länder künftig tätig werden, müssen es aber nicht. Das Ausmaß der Flexibilisierung ist nicht vorgegeben. Demgemäß könnte auch das Heberecht auf Länderebene ganz unterschiedlich gestaltet werden.
Rz. 3
§ 1 GrStG legt die Berechtigung der Gemeinde zur Erhebung der Grundsteuer fest. Das Heberecht ist auf den im Gebiet der Gemeinde liegenden Grundbesitz begrenzt. § 1 GrStG konkretisiert Art. 106 Abs. 6 GG, der das Aufkommen der Grundsteuer den Gemeinden zuordnet und ihnen das Recht zur Bestimmung der Hebesätze einräumt. In der ursprünglichen Fassung v. 23.5.1949 waren in Art. 106 GG keine originären Steuereinnahmen der Gemeinden vorgesehen. Die Grundsteuer floss den Gemeinden zunächst über Zuweisungen der Länder zu. Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes vom 24.12.1956 änderte dies und legte fest, dass das Aufkommen der Grundsteuer den Gemeinden zusteht. Das Heberecht der Gemeinden macht deutlich, dass die Grundsteuer durch ihren Zusammenhang mit örtlich radizierbaren Leistungen der Kommune äquivalenztheoretisch gerechtfertigt ist. Im Vordergrund stehen Aufgaben, die mit den Grundstücken und der kommunalen Infrastruktur in Verbindung stehen: Ortsplanung, Bauverwaltung, Unterhaltung der Gemeindestraßen, Straßenreinigung und -beleuchtung, Pflege öffentliches Grün, Schulen, Bibliotheken, Theater, Schwimmbäder, Sporthallen und -plätze sowie Zuschüsse zum ÖPNV neben zahlreichen anderen Leistungen. Ein Nutzungsausschluss bei solchen lokalen öffentlichen Gütern ist nicht möglich und folglich kommt keine Gebührenfinanzierung in Betracht. Bei der Grundsteuer ist von einer lokalen Gruppenäquivalenz und einer nutzenorientierten Interpretation auszugehen. Die grundstücksbezogenen Leistungen der Gemeinde wirken sich in erster Linie auf den Wert des Grund und Bodens aus. Mit der Interpretation der Grundsteuer als pauschales Äquivalent für kommunale Leistungen ist sie als eine Form von benefit taxation zu charakterisieren.
Rz. 4
§ 1 GrStG macht deutlich, dass es den Gemeinden überlassen bleibt, ob und in welcher Höhe sie eine Grundsteuer erheben. Im Unterschied zur Gewerbesteuer verbleibt das gesamte Aufkommen der Grundsteuer auf Ebene der hebeberechtigten Kommune. Ausdruck kommunaler Finanzautonomie ist auch der Verzicht auf die Erhebung der...