Rz. 11
Die Vorschrift setzt das Vorliegen einer fortgesetzten Gütergemeinschaft nach den §§ 1483 ff. BGB voraus. Der Hinweis auf die §§ 1483 ff. BGB hat zur Folge, dass § 4 ErbStG auf Gütergemeinschaften ausländischen Rechts nicht anwendbar ist. Dem steht auch nicht die Entscheidung des BFH vom 4.7.2012 entgegen, weil die Eheleute in dem zugrunde liegenden Sachverhalt zwar eine Gütergemeinschaft nach französischem Recht begründet hatten, diese sich aber ausdrücklich nicht auf das inländische Vermögen erstreckte, so dass diesbezüglich ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorlag.
Rz. 12
Dadurch, dass der Anteil des verstorbenen Ehegatten bzw. Lebenspartners am Gesamtgut zivilrechtlich im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die gemeinsamen Abkömmlinge übergeht, liegt kein Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Um auch die Bereicherung der gemeinsamen Abkömmlinge hinsichtlich des Anteils des verstorbenen Ehegatten bzw. Lebenspartners am Gesamtgut zu erfassen, enthält § 4 ErbStG einen Ergänzungstatbestand zu § 3 ErbStG.
Rz. 13
Nach § 4 Abs. 1 ErbStG werden die anteilsberechtigten Abkömmlinge einer fortgesetzten Gütergemeinschaft hinsichtlich des Anteils des verstorbenen Ehegatten bzw. Lebenspartners am Gesamtgut so behandelt, als wenn der Anteil ausschließlich bei ihnen angefallen wäre. Damit negiert das Gesetz die Fortsetzung der Gütergemeinschaft.
Beispiel
Die in Gütergemeinschaft lebenden Eheleute M und F haben vereinbart, den Güterstand mit den gemeinsamen Abkömmlingen fortzusetzen. Beim Tod des M leben die beiden Kinder S und T. Das Gesamtgut hat einen steuerlichen Wert von 1.000.000 EUR, das Vorbehaltsgut des M hat einen Wert von 10.000 EUR. Es ist kein Testament vorhanden.
Gesamtgut:
Zivilrechtlich fällt der Anteil des M am Gesamtgut nicht in den Nachlass. Vielmehr wird die Gütergemeinschaft mit F und den beiden Kindern fortgesetzt, wobei die Kinder die Stellung des verstorbenen Ehegatten haben (§ 1487 Abs. 1 BGB) und der überlebende Ehegatte das Gesamtgut allein verwaltet (§§ 1422 ff. BGB).
Steuerrechtlich gilt nach § 4 Abs. 1 ErbStG der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut als bei den anteilsberechtigten Abkömmlingen angefallen. Somit hat F keinen steuerlichen Erwerb am Gesamtgut. Die Kinder erwerben den Anteil des M am Gesamtgut ([1]/2 von 1.000.000 EUR = 500.000 EUR) nach § 1924 Abs. 4 BGB zu je [1]/2 (250.000 EUR).
Vorbehaltsgut:
Das gesetzliche Erbe des überlebenden Ehegatten beträgt [1]/4 (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei F fallen somit [1]/4 des Werts des Vorbehaltsguts (= 2.500 EUR) nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in den Nachlass.
Die Kinder erben zusammen [3]/4 des Vorbehaltsguts. Jedem Kind steht somit [1]/2 von [3]/4, mithin [3]/8 von 10.000 EUR (= 3.750 EUR) zu, die sie als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern haben. Der gesamte Vermögensanfall der Kinder beträgt also jeweils (250.000 EUR + 3.750 EUR =) 253.750 EUR.
Rz. 14
Obgleich dem überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartner nach § 1487 Abs. 1 BGB das alleinige Verwaltungsrecht über das Gesamtgut zusteht, entsteht die Erbschaftsteuer nicht erst bei Aufhebung der Gütergemeinschaft, sondern nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten bzw. Lebenspartners. Deshalb ist der Streit, ob es sich bei § 4 ErbStG um einen fingierten Erwerb durch Erbanfall handelt oder ein Erwerb von Todes wegen eigener Art auf Grund Güterrechts vorliegt, für die Praxis unbedeutend.
Rz. 15
Nach § 20 Abs. 2 ErbStG sind die Abkömmlinge Steuerschuldner im Verhältnis der auf sie entfallenden Anteile am Gesamtgut. Der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner sind Steuerschuldner für den gesamten Steuerbetrag. Das gilt, obgleich der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich etwas erwirbt. Die Steuerschuldnerschaft wird mit der Verwaltungsbefugnis des überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners und der Haftung des Gesamtguts für Verbindlichkeiten des überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners nach § 1488 BGB begründet (vgl. § 20 ErbStG Rz. 6).
Rz. 16
Darüber hinaus kann das Finanzamt nach § 31 Abs. 3 ErbStG die Abgabe der Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten oder dem überlebenden Lebenspartner verlangen (vgl. § 31 ErbStG Rz. 9).
Rz. 17
Nach einer Entscheidung des RFH sollen Bestattungskosten bei den Abkömmlingen nur zur Hälfte als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sein, weil sie nur das hälftige Gesamtgut erwerben. Die Entscheidung wird allgemein abgelehnt.
Rz. 18– 20
Einstweilen frei.