Rz. 47
Nach § 70 Abs. 1 BewG, der auch für die Bedarfsbewertung gilt (§ 138 Abs. 3 Satz 2 BewG), ist Bewertungsgegenstand oder wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens das Grundstück i.S. des Bewertungsgesetzes. Der Begriff "Grundstück" ist dabei nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des Grundstücks i.S. des bürgerlichen Rechts. Maßgebend für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit ist allein § 2 BewG, nach dem es auf die Verkehrsanschauung ankommt. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 BewG). Wegen weiterer Einzelheiten vgl. auch die Erläuterungen zu § 2 und § 70 BewG.
Rz. 48
Ein größeres Baugelände, das noch nicht durch Vermessung in einzelne Bauparzellen aufgeteilt ist, wird bewertungsrechtlich als eine wirtschaftliche Einheit behandelt, und zwar auch dann, wenn der Eigentümer einzelne Teilflächen an unterschiedliche Pächter verpachtet hat. Sobald das Baugelände parzelliert und die einzelne Bauparzelle in ihrem Ausmaß festgelegt wird, ist jede einzelne Parzelle für sich als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Dabei ist dem Umstand, dass sich die gesamte Fläche noch im Eigentum einer Person befindet, keine Bedeutung beizumessen.
Rz. 49
Die Frage der wirtschaftlichen Einheit dürfte sich in der Praxis häufig bei Grundstücken stellen, die zusätzlich zu der bebauten Fläche über eine größere unbebaute Fläche verfügen. Dies ist auch aus Tz. 37 Abs. 2 Satz 2 der gleich lautenden Erlasse vom 2.4.2007 ersichtlich. Dort wird der Fall genannt, dass eine unbebaute Fläche an eine Grundstücksfläche grenzt, die mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Bei Wohngegenden mit geschlossener Bauweise dürfte die unbebaute Fläche i.d.R. eine Baulücke sein, die als selbstständiges unbebautes Grundstück zu bewerten ist. Solche Grundstücksflächen können neben der bebauten Fläche liegen, sie können aber auch dahinter liegen und an eine Parallelstraße angrenzen. Bei Wohngegenden mit offener Bauweise haben die einzelnen Grundstücke häufig einen großen Garten oder eine zusätzliche Grünfläche. Hier wird es nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der örtlichen Gewohnheit im Allgemeinen nicht möglich sein, die angrenzende unbebaute Teilfläche als wirtschaftliche Einheit getrennt zu behandeln. Dies gilt vor allem dann, wenn diese Teilfläche nach außen erkennbar in den Gesamtkomplex einbezogen ist, z.B. durch die einheitliche Gestaltung von Außenanlagen. Allerdings schließt dies im Einzelfall nicht aus, dass trotz offener Bauweise die angrenzende unbebaute Teilfläche als gesonderte wirtschaftliche Einheit anzusehen ist, wie der BFH im Urteil vom 16.2.1979 ausgeführt hat; auf dieses BFH-Urteil wird im Hinweis zu Tz. 37 der gleich lautenden Erlasse vom 2.4.2007 ausdrücklich hingewiesen.
Rz. 50
In Tz. 37 Abs. 2 Satz 3 der gleich lautenden Erlasse v. 2.4.2007 wird ein weiterer Sonderfall angesprochen, und zwar der Fall der Verpachtung von Teilflächen. Wird von einem größeren Grundstück eine Teilfläche verpachtet und errichtet der Pächter auf dieser Fläche ein Gebäude, ist die "bebaute" Teilfläche als besondere wirtschaftliche Einheit "Grundstück mit Gebäude auf fremdem Grund und Boden" nach § 148 Abs. 2 BewG zu bewerten. Die verbleibende, nicht bebaute Teilfläche bildet eine gesonderte wirtschaftliche Einheit "unbebautes Grundstück".
Rz. 51
Sind Flächen räumlich getrennt, liegen i.d.R. mehrere wirtschaftliche Einheiten vor. Die räumliche Trennung kann sich z.B. durch zwischen den Grundstücken liegende Parzellen ergeben, die einem anderen Eigentümer gehören, oder durch eine öffentliche Straße. Die Trennung durch Privatwege, an denen der Grundstückseigentümer der getrennten Flächen Miteigentümer ist, führt dagegen für sich nicht zur Annahme mehrerer wirtschaftlicher Einheiten. Die Frage der Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit stellt sich in der Praxis häufig bei Grundstücken mit Nebengebäuden sowie bei Hausgärten, die nicht unmittelbar an ein bebautes Wohngrundstück angrenzen. Hier ist nur dann eine Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit möglich, wenn trotz der räumlichen Trennung die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit erkennbar bleibt. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn die räumliche Entfernung gering ist und bei einer Trennung durch eine öffentliche Straße es sich um eine solche handelt, die nicht dem Durchgangsverkehr, sondern nur der Erschließung des Siedlungsgebietes dient (z.B. in einem "Zone-30-Gebiet" oder als Spielstraße gekennzeichnet).