Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Unveränderte Systematik des § 11 BewG
Rz. 288
Der systematische Aufbau des § 11 BewG hat sich mit dem ErbStRG grundsätzlich nicht geändert. Die Systematik hat sich in der Vergangenheit bewährt. Die Bewertungsansätze sind in den folgenden drei Stufen zu prüfen.
Stufe 1: Weiterhin ist der Kurswert der vorrangige Bewertungsansatz (§ 11 Abs. 1 BewG).
Stufe 2: Ist ein Kurswert i.S.d. § 11 Abs. 1 BewG nicht vorhanden (s. Anm. 10, 11), ist der gemeine Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Stufe 3: Ist die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen nicht möglich, erfolgt eine Ermittlung des gemeinen Werts unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Rz. 289
Dies gilt nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern nach § 109 Abs. 1 BewG auch für Gewerbebetriebe und Freiberufler i.S.d. § 96 BewG sowie nach § 109 Abs. 2 BewG für den Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse. Dazu gehört beispielsweise regelmäßig der Wert einer Beteiligung an einer Personengesellschaft (§ 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG).
2. Gleich lautende Ländererlasse vom 25.6.2009
Rz. 290
Die Finanzverwaltung hat zur Bewertung des betrieblichen Vermögens zunächst mit gleich lautenden Erlassen vom 25.6.2009 zur Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199 ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG (BV-Erlass vom 25.6.2009) Stellung genommen.
Rz. 291
Nach Abschn. 1 BV-Erlass gelten diese Erlassregelungen nur bei der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Ausdrücklich bestimmt Abschn. 1 Satz 2 BV-Erlass, dass die Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke von den Regelungen des Erlasses unberührt bleibt. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG a.F. ebenfalls ausdrücklich keine Bindung der Ertragsteuer an die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz vorgesehen war. Somit sollten bei der Ertragsteuer weiterhin grundsätzlich ausschließlich die allgemeinen Regelungen der Verkehrswertermittlung gelten.
Rz. 292
Die Problematik der Maßgeblichkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens für Zwecke der Ertragsteuer blieb jedoch in der Diskussion. So war beispielsweise innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2010 eine Ergänzung des § 11 Abs. 2 BewG vorgesehen, mit der die ausschließliche Geltung des vereinfachten Ertragswertverfahrens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer bereits auf gesetzlicher Ebene – und nicht wie bisher nur innerhalb des Abschn. 1 GV-Erlass vom 5.5.2009 – eingeführt werden sollte. Diese gesetzliche Ergänzung ist jedoch nicht realisiert worden. Stattdessen sollte das vereinfachte Ertragswertverfahren durch die Finanzverwaltung mit dem Ziel der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf die Ertragssteuer angepasst werden.
Rz. 293
Abschn. 1 BV-Erlass vom 25.6.2009 hat einen auf die Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer begrenzten Anwendungsbereich und daher folgenden Wortlaut:
"[1]Die Ausführungen in den nachfolgenden Abschnitten zur Ermittlung des gemeinen Werts gelten ausschließlich für die Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, § 157 Abs. 4 BewG, § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, § 157 Abs. 5 BewG). [2]Die Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke bleibt hiervon unberührt. [3]Die vorgesehenen Bewertungsverfahren sind für inländische und ausländische Bewertungsanlässe anzuwenden."
3. Gleich lautende Ländererlasse vom 17.5.2017
Rz. 294
Mit gleich lautenden Erlassen vom 17.5.2011 hat die Finanzverwaltung die Regelungen zur Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199 ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG für Bewertungsstichtage nach dem 30.6.2011 (BV-Erlass vom 17.5.2011) aktualisiert. Hervorzuheben ist hierbei, dass die Regelungen des BV-Erlasses vom 17.5.2011 auch bei der Ermittlung des gemeinen Werts für Zwecke der Ertragsteuer anzuwenden sind. Dies ergibt aus der Tatsache, dass der bisherige Abschn. 1 frei geblieben ist. Ausdrücklich wird die Geltung der bewertungsrechtlichen Regelungen für ertragsteuerliche Zwecke mit BMF-Schreiben vom 22.9.2011 geregelt.
4. ErbStR 2011
Rz. 295
Mit den ErbStR 2011 und den dazu gehörenden ErbStH wurde der BV-Erlass vom 17.5.2011 in die Richtlinien integriert, wobei die inhaltlichen Regelungen weitgehend übernomme...