Rz. 277
Der gemeine (Unternehmens-)Wert ist primär aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die, vom Bewertungsstichtag (dazu unten, Rz. 368 ff.) an zurückgerechnet, weniger als ein Jahr zurückliegen. Ausnahmsweise können auch einige Wochen vor dieser Jahresfrist liegende Verkäufe berücksichtigt werden.
In Betracht kommen nach der (m.E. zutreffenden) höchstrichterlichen Rechtsprechung darüber hinaus ausnahmsweise aber auch Verkäufe, die zwar eine kurze Zeit nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben, bei denen sich aber die Kaufvertragsparteien bereits am Bewertungsstichtag über die Höhe des Kaufpreises einig waren oder sich die Verhandlungen über den Kaufpreis durch Festlegung eines Preisrahmens bis zum Bewertungsstichtag bereits so weit konkretisiert (verdichtet) hatten, dass der Kaufpreis im Kaufvertrag quasi nur noch dokumentiert wurde.
Rz. 278
Wird der Kaufpreis nach dem Bewertungsstichtag gemindert, so ist bei der Ableitung des gemeinen Werts aus stichtagsnahen Verkäufen der geminderte Kaufpreis zugrunde zu legen, wenn die Voraussetzungen des Rechts zur Kaufpreisminderung bereits am Bewertungsstichtag objektiv vorlagen und die Minderung später tatsächlich vollzogen wurde.
Rz. 279
Eine Ableitung des gemeinen Werts aus solchen Verkäufen hat nach der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG Vorrang vor der Ermittlung des gemeinen Werts unter Heranziehung der im Übrigen in § 11 Abs. 2 BewG vorgesehenen Bewertungsmethoden.
Rz. 280
Heranzuziehen sind nur solche Verkäufe und Verkaufspreise, die "unter fremden Dritten", d.h. im gewöhnlichen Geschäftsverkehr getätigt wurden. Nach der Rechtsprechung des BFH findet eine Veräußerung "im gewöhnlichen Geschäftsverkehr" statt, wenn sich der Handel nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage richtet, bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner Interessen und ohne besondere Rücksichten zu handeln in der Lage ist. Ob dies zutrifft, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
Rz. 281
Grundsätzlich müssen mehrere Verkäufe stattgefunden haben. Ausnahmsweise – unter besonderen Umständen – reicht aber auch ein einziger Verkauf aus, wenn dieser nicht lediglich einen Zwerganteil betrifft.
Als "Verkauf" i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kann auch die Ausgabe neuer Geschäftsanteile an einer GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme neuer Gesellschafter zu werten sein. Entsprechendes gilt für einen Anteilstausch und für das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft gegen Abfindung, welche sich am Verkehrswert der Beteiligung orientiert.
Rz. 282
"Ableiten" aus Verkäufen i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG darf nicht dahin verstanden werden, dass die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah erzielten Kaufpreise unterschiedslos, gewissermaßen 1:1, d.h. ohne jede Modifikation, auf die Ermittlung des gemeinen Werts des unentgeltlich erworbenen Betriebsvermögens übertragen werden. "Ableiten" in diesem Sinne bedeutet und erfordert vielmehr, dass die erzielten Kaufpreise zu korrigieren sind, wenn Umstände vorliegen, die eine solche Korrektur im Einzelfall gebieten, etwa bei der Bewertung von nicht notierten Stammaktien und Vorhandensein von Kurswerten von börsennotierten Vorzugsaktien derselben Gesellschaft oder bei der Bewertung einer Minderheitsbeteiligung nach dem Verkaufspreis für eine Mehrheitsbeteiligung.
Rz. 283– 292
Einstweilen frei.