Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 25
§ 157 BewG übernimmt für die neuen Bewertungsmethoden die Funktion, allgemein geltende Regelungen voranzustellen. Dies entspricht im Wesentlichen dem bereits bisher für die Bewertung des Grundbesitzes seit 1996 geltenden § 138 BewG .
Rz. 26
Mit der Einführung des § 138 BewG durch das Jahressteuergesetz 1997 hatte der Gesetzgeber vor einer ähnlichen Aufgabe gestanden, weil neue Methoden für die Bewertung des Grundbesitzes zu schaffen und von der bisher maßgebenden Einheitsbewertung abzugrenzen waren. Damals ergab sich diese Notwendigkeit der gesetzlichen Neuregelung nachdem das BVerfG mit den Beschlüssen vom 22.6.1995 die Anwendung eines einheitlichen Steuersatzes für verfassungswidrig erklärt hatte, wenn die verschiedenen Vermögensgegenstände mit einem unterschiedlichen Wertniveau erfasst werden. Die Kritik betraf in erster Linie den Ansatz der weit unter dem Verkehrswert liegenden Einheitswerte für den Grundbesitz.
Rz. 27
Damals führte der Gesetzgeber die Bedarfsbewertung ein, die nur im "Bedarfsfall" zu einer Feststellung führte und nicht – wie bei der Einheitsbewertung – eine Vorratsbewertung aller wirtschaftlichen Einheiten erforderte. Die ab 1996 geltenden Vorschriften sind im Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes verankert worden. Die grundsätzlichen Regelungen zum insoweit vorgesehenen Feststellungsverfahren enthält § 138 BewG.
Rz. 28
Auch wenn § 157 BewG für die Bewertungsfragen des Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes dieselbe grundsätzliche Funktion wie § 138 BewG hat, unterscheidet sich die Vorschrift des § 157 BewG insbesondere dadurch, dass nicht nur Aussagen zur Grundbesitzbewertung, sondern auch zur Anteilsbewertung, zur Bewertung des Betriebsvermögens und zur Bewertung von Anteilen am Betriebsvermögen trifft.
Rz. 29
Mit § 157 BewG wird die bisherige Bedarfsbewertung (§ 138 ff. BewG) durch die ab 2009 geltenden Grundbesitzwerte für das Grundvermögen und vergleichbare Betriebsgrundstücke sowie die land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwerte für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und vergleichbare Betriebsgrundstücke abgelöst. Eine diesbezügliche Aussage enthält § 157 BewG nicht explizit. Dies ergibt sich vielmehr allgemein aus dem Anwendungsbereich des § 157 BewG.
Rz. 30– 35
Einstweilen frei.
Rz. 36
§ 157 enthält – anders als § 138 Abs. 4 BewG – keine Öffnungsklausel. Dennoch steht dem Steuerzahler auch bei der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes die Möglichkeit offen, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Somit ist der Steuerzahler nicht ausschließlich auf die Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes angewiesen. Vielmehr kann er zu seinen Gunsten einen niedrigeren Wert nachweisen, der nach den Bewertungsregeln der Immobilienwertermittlungsverordnung regelmäßig durch einen Grundstückssachverständigen zu ermitteln ist.
Rz. 37
Für die ab 2009 geltende Grundbesitzbewertung ergibt sich dies jedoch nicht aus § 157 BewG, sondern aus § 198 BewG. Die explizite Öffnungsklausel des § 198 BewG gilt im Übrigen lediglich für die Grundbesitzbewertung, nicht dagegen bei der Bewertung des betrieblichen Vermögens.
Rz. 38
Bei der Bewertung der betrieblichen Vermögen hat der Gesetzgeber keine Öffnungsklausel realisiert, die ausschließlich zu Gunsten des Steuerzahlers wirkt. Der Wechsel der Methoden zur Bewertung von betrieblichen Vermögen soll nach dem Verständnis des Gesetzgebers nicht einseitig zu Gunsten des Steuerzahlers angewandt werden.
Rz. 39
Die Auffassung der Finanzverwaltung zur Nachweisproblematik ist jedoch nicht konstant. Der BV-Erlass vom 25.6.2009 ging noch davon aus, dass sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerzahler von den Regelungen des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§ 199 ff. BewG) zu Gunsten einer allgemeinen Methode der Unternehmensbewertung abweichen konnte. Bereits mit BV-Erlass vom 17.5.2011 ging die Finanzverwaltung jedoch davon aus, dass der Steuerzahler den gemeinen Wert grundsätzlich mit einer allgemeinen Methode der Unternehmensbewertung zu bestimmen hat und stattdessen ein Wahlrecht zu Gunsten des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausüben kann. Davon gehen auch die aktuellen ErbStR 2019 aus.
Rz. 40
Die zulässige Ausübung des Wahlrechts des Steuerzahlers zu Gunsten des vereinfachten Ertragswertverfahrens macht die Finanzverwaltung jedoch davon abhängig, dass der Steuerzahler darlegt, durch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis zu gelangen. Deshalb lässt der BFH zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Übermaßes in Ausnahmefällen den Nachweis eines niedrigen Wertes auch dann zu, wenn er gesetzlich nicht geregelt ist.
Rz. 41– 43
Einstweilen frei.