Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 20
Nach § 266 BewG wird die erste Hauptfeststellung für Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 für die Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 durchgeführt. Somit regelt die Vorschrift des § 266 BewG nur den Hauptfeststellungszeitpunkt. Die Regelung des Zeitpunkts der Hauptveranlagung der Grundsteuermessbeträge richtet sich dagegen nach § 36 GrStG.
1. Erteilung der Bescheide
Rz. 21
Die unterschiedlichen Zeitpunkte für die Hauptfeststellung und die Hauptveranlagung haben in der Praxis bedeutsame Folgen bei der Erteilung der Bescheide.
Rz. 22
Es stellt sich die Frage, ob die Finanzverwaltung den Bescheid über die Hauptfeststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 gleichzeitig mit dem Bescheid über den Grundsteuermessbetrag auf den 1.1.2025 bekannt gibt. Gegen ein solches Vorgehen dürften keine rechtlichen Bedenken sprechen, weil die unterschiedlichen Stichtage den gesetzlich vorgesehenen Anwendungszeitpunkten des Bewertungsgesetzes und des Grundsteuergesetzes entsprechen.
Rz. 23
Eine gleichzeitige Bekanntgabe würde der Finanzverwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern eine mehrfache Befassung mit der Thematik ersparen. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn sich zwischen dem 1.1.2022 und dem 1.1.2025 keine Änderungen ergeben, die zu einer Fortschreibung des Grundsteuerwerts und in der Folge zu einer Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags führen.
2. Folgewirkung bei Anpassung der Steuermesszahl
Rz. 24
Bei einer zeitgleichen Bekanntgabe der Bescheide über die Hauptfeststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 und über den Grundsteuermessbetrag auf den 1.1.2025 stellt sich ein Problem, das nicht allein mit den vorhandenen Vorschriften gelöst werden kann.
Rz. 25
Betroffen sind die Länder, die sich entscheiden, eine von der bundesgesetzlichen Regelung abweichende Steuermesszahl im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Länderöffnungsklausel regeln zu wollen. Ohnehin dürften die Vorermittlungen des Bundesministeriums für Finanzen auf erheblichen Schätzungsgrundlagen beruhen, die zu einer angenommenen bundesweit geltenden Steuermesszahl von 0,34 Promille geführt haben. Die Größenordnung ist zweifellos zutreffend. Denn wenn man unterstellt, dass sich das Wertniveau der Einheitsbewertung mit der Einführung des Grundsteuerwerts verzehnfacht, geht dies mit einer Reduzierung der Steuermesszahl auf rund 10 Prozent einher. Damit soll erreicht werden, dass das Grundsteuermessbetragsvolumen konstant bleibt und die angestrebte Aufkommensneutralität bei unveränderten Hebesätzen realisiert wird.
Rz. 26
Da sich die einzelnen Gemeinden voneinander erheblich unterscheiden, ist es nicht realistisch, dass eine Beibehaltung der Hebesätze in allen Gemeinden zu einer Aufkommensneutralität führt. Ursächlich hierfür können beispielsweise eine abweichende Altersstruktur der Gebäude sein. Auch ist entscheidend, in welchem Umfang die vorhandenen wirtschaftlichen Einheiten zu Wohnzwecken genutzt werden und wie stark der Anteil der Gewerbeobjekte ist. Ferner sind in den Gemeinden unterschiedliche Wertentwicklungen seit 1964 zu beobachten. Somit kann eine genaue Grundsteuermesszahl erst ermittelt werden, wenn ein Großteil der wirtschaftlichen Einheiten mit dem neuen Grundsteuerwert bewertet worden ist bzw. mit Hilfe einer statistisch belastbaren Stichprobe auf die zutreffende Grundsteuermesszahl geschlossen werden kann. Zeitlich dürfte dies erst Ende 2024 möglich sein.
Rz. 27
Das bedeutet, sofern ein Land eine vom Bundesmodell abweichende Grundsteuermesszahl gesetzlich festlegen will, kann dies erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt erfolgen. Sofern jedoch bereits mit der Hauptfeststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 der Bescheid über die Hauptveranlagung des Grundsteuermessbetrags auf den 1.1.2025 bekannt gegeben wird, muss das vom Bundesmodell abweichende Land in allen Fällen geänderte Bescheide über den Grundsteuermessbetrag erteilen. Hierfür wäre innerhalb der landesgesetzlichen Regelung eine tragende Rechtsgrundlage zu schaffen. Für diesen Fall würde sich der vermeintliche Vorteil einer gleichzeitigen Bekanntgabe der Bescheide ins Gegenteil verkehren. Denn die Bürgerinnen und Bürger könnten bereits gegen den – verfrühten – Bescheid über die Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 den Rechtsweg beschreiten.