Rz. 12
Die Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht hat erhebliche steuerliche Bedeutung, nicht nur wegen der unterschiedlichen Erfassung des Vermögens. I.d.R. ist die unbeschränkte Steuerpflicht wegen der weitreichenderen Besteuerung für den Steuerpflichtigen ungünstiger, sofern die Finanzämter von Auslandserwerben erfahren.
In manchen Fällen jedoch war bzw. kann die unbeschränkte Steuerpflicht günstiger sein, z.B.:
Rz. 13
- Die persönlichen Freibeträge (§ 16 Abs. 1 ErbStG) waren wesentlich höher bei unbeschränkter Steuerpflicht als der niedrige pauschale Freibetrag von 2.000 EUR nach dem neuen ErbStG ab 2009 nach § 16 Abs. 2 ErbStG bei beschränkter Steuerpflicht. Diese Differenzierung ist ab 25.6.2017 durch § 16 Abs. 2 ErbStG n.F. in Gestalt von Art. 4 Nr. 5 Buchst. b Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.6.2017 (StUmgBG) weggefallen. Lediglich bei miterworbenem Auslandsvermögen wird der Freibetrag bei beschränkter Steuerpflicht gemindert (s. § 16 Rz. 2, 31).
- Den Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG erhielten früher nur unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten und Kinder. Nun bekommen auch für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe ab 25.6.2017 Ehegatten und Kinder diesen Freibetrag, sogar auch für Erwerbe davor, sofern diese noch nicht bestandskräftig sind (s. § 17 Abs. 3 ErbStG n.F. i.V.m. § 37 Abs. 13 ErbStG n.F.; s. § 17 ErbStG Rz. 22 ff.). Diese Änderungen erfolgten ebenfalls durch das StUmgBG (Art. 4 Nr. 6).
- Bei unbeschränkter Steuerpflicht können Schulden uneingeschränkt vom Erwerb abgezogen werden, bei beschränkter Steuerpflicht nur beschränkt nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG (§ 10 ErbStG Rz. 180 ff.).
- Die steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 ErbStG ist bei beschränkter Steuerpflicht, sofern deutsches Familienrecht nach Art. 13 und 14 EGBGB anwendbar ist, nach nunmehr h.M. voll abzugsfähig und nicht mehr nur insoweit steuerfrei wie sie dem Anteil des Inlandsvermögens am gesamten Endvermögen des verstorbenen Ehegatten entspricht. Dies käme der früheren Anwendung des § 10 Abs. 6 ErbStG bei Pflichtteilsansprüchen gegenüber beschränkt steuerpflichtigen Erben gleich (s. Rz. 103). Aus dem Fehlen einer Einschränkung wie bei den §§ 16, 17 ErbStG bei unbeschränkter Steuerpflicht (s. Rz. 121) lässt sich dies jedoch nicht entnehmen.
- Ausländische Erbschaftsteuer ist nach § 21 ErbStG nur bei unbeschränkter Steuerpflicht anrechenbar (s. auch § 21 ErbStG Rz. 60).
Rz. 14
Es gab jedoch aufgrund von § 2 Abs. 3 ErbStG n.F. ein Antragsrecht zur unbeschränkten Steuerpflicht (s. Rz. 110 ff., § 16 ErbStG Rz. 27 ff.), eingeführt für Erwerbe ab dem 14.12.2011 durch das sog. Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz. Dieses fiel ab dem 25.6.2017 wieder weg (§ 37 Abs. 14 ErbStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 8 StUmgBG).
Dieses Optionsrecht galt (s. Rz. 15.1) nur, wenn der Erblasser, Schenker oder Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Staat hat. Maßgebend dafür war die Entscheidung Mattner, wonach auch eine nicht Gebietsansässige (Niederlande) den Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG in Anspruch nehmen kann. In einem Drittstaat lebenden Steuerpflichtigen stand das Optionsrecht gesetzlich nicht zu. Mit Urteil vom 17.10.2013 in der Rechtssache Welte (Erblasserin und Erbe waren Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz) sah der EuGH in der Gewährung des niedrigeren Freibetrags nach § 16 Abs. 2 ErbStG jedoch einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Mit Entscheidung des EuGH vom 4.9.2014 in einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland hatte er seine Auffassung wiederholt. Unklar blieb jedoch noch, was diese Entscheidung konkret bedeutet; der EuGH hatte nämlich ausdrücklich klargestellt, dass nur die Rechtslage vor Einführung des Optionsrechts nach § 2 Abs. 3 ErbStG beurteilt wurde.
Rz. 15
2016 hatte dann der EuGH aufgrund eines Vorlagebeschlusses des FG Düsseldorf entschieden, dass es gegen die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, dass im Falle einer Schenkung unter Gebietsfremden niedrigere Steuerfreibeträge gelten, wenn der Erwerber keinen solchen Antrag stellt. Ein solcher Verstoß liege auch und auf jeden Fall vor, wenn die Steuer auf Antrag eines solchen Erwerbers unter Anwendung des höheren Freibetrags errechnet wird, dieser Antrag aber zur Folge hat, dass alle Schenkungen zusammengerechnet werden (gem. § 14 ErbStG), die der Erwerber in den zehn Jahren vor und in den zehn Jahren nach der Schenkung von demselben Schenker erhalten hat. Ob dies auch dann gilt, wenn der Erwerber in einem Drittstaat lebt, hielt das Gericht in diesem Fall nicht für entscheidungserheblich (Schenkerin und Beschenkte hatten ihren Wohnsitz in Großbritannien). Der Gesetzgeber hatte nun für eine europarechtskonforme Regelung der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zu sorgen. Ob dafür eine Erweiterung des Antragsrechts auch auf Drittstaatensachverhalte un...