Rz. 153

[Autor/Stand] Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Möglichkeit für die wirtschaftlichen Einheiten der Erbbaurechtsfälle und der Fälle der Gebäude auf fremdem Grund und Boden einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen, kam es zu einer Vielzahl von Rechtsbehelfsverfahren. Beispielhaft sind nachstehend einige BFH-Verfahren dargestellt:

  • Erbbaurechtsfälle

Verfassungsmäßigkeit des gleichbleibenden Abzugs des Kapitalwerts der Erbbauzinsverpflichtung vom Grundstückswert

Der BFH hat in seinem Beschluss v. 22.5.2002[2] ausgeführt, dass er es für ernstlich zweifelhaft hält, ob § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG (bis 2006) verfassungskonform ist. Zwar entspreche der angefochtene Bescheid den Regelungen des Bewertungsgesetzes. Nicht zu folgen sei aber der Überlegung, dass ein etwaiger Gesetzesüberhang durch eine Billigkeitsmaßnahme beseitigt werden könne. Letzteres sei deshalb nicht möglich, weil der Gesetzesüberhang nicht ungewollt sei; denn mit § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG (bis 2006) habe der Gesetzgeber auch gravierende Überbewertungen – wie sie im Streitfall offenbar vorlägen – bewusst in Kauf genommen.

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts beim Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks

Weist der Erwerber eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks nach, dass dessen gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG (bis 2006) ermittelter Wert mehr als das Dreifache seines gemeinen Werts im unbebauten Zustand ausmacht, und hat er beim Heimfall des Erbbaurechts eine angemessene Entschädigung für das Gebäude zu zahlen, ist der Grundstückswert im Wege verfassungskonformer Auslegung entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen.[3]

Verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG (bis 2006), um Überbewertung eines Erbbaurechts zu vermeiden

Der BFH führte aus, dass eine gegen das Übermaßverbot verstoßende Bewertung eines Erbbaurechts nicht durch die Nichtanwendung des § 146 Abs. 6 BewG (bis 2006), sondern dadurch vermieden werden müsse, dass dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werde, den niedrigeren gemeinen Wert des Erbbaurechts nachzuweisen. Denn verstoßen die Belastungsfolgen einer schematisierenden Bedarfsbewertung eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG (bis 2006) gegen das Übermaßverbot, ist in verfassungskonformer Auslegung der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch den Steuerpflichtigen zuzulassen.[4]

Nachweis eines geringeren gemeinen Werts im Rahmen der Bedarfsbewertung eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks für Zwecke der Grunderwerbsteuer

Der BFH hat mit seinem Urteil v. 11.12.2013[5] entschieden, dass wenn die Bewertung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks mit dem 18,6fachen des jährlichen Erbbauzinsens (§ 148 Abs. 1 Satz 1 BewG bis 2006) gegen das Übermaßverbot verstoße – wobei der BFH eine Bewertungsdifferenz von um die 10% als eine Folge der typisierten Bewertungsmethode betrachtet, die aufgrund der mit einer Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen ist – der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen sei. Ein zum Nachweis eines geringeren gemeinen Werts vorgelegtes Sachverständigengutachten oder ein nachgewiesener tatsächlicher Kaufpreis könne allerdings nur dann zur Feststellung eines niedrigeren Werts nach § 146 Abs. 7 BewG führen, wenn die Bewertungsmaßstäbe übereinstimmen und insbesondere die gleichen preis- bzw. wertbildenden Faktoren berücksichtigt würden.

Insbesondere der Umstand, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG für Erwerbsvorgänge, bei denen sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG nach der Gegenleistung bemisst, zu einer Kürzung der für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks erbrachten Gegenleistung um den kapitalisierten Wert des erworbenen Erbbauzinsanspruchs führe, sei für die Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG (bis 2006) erbbaurechtsbelasteter Grundstücke unerheblich.

  • Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Mögliche Verfassungswidrigkeit der Bedarfsbewertung eines Grundstücks auf fremdem Grund und Boden

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Bewertung des mit einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG (bis 2006) mit dem 18,6fachen des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Entgelts für die Grundstücksnutzung wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot mit der Verfassung vereinbar ist.[6]

Das Übermaßverbot sei verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgingen, das der Schematisierung zugrunde liege. Bei überschlägiger Prüfung spreche ein Vergleich des vom FA festgestellten Grundstückswerts (665 000 DM) mit dem sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswert für das (unbebaute) Grundstück (484 600 DM), der auch in etwa dem von der Antragstellerin vorgelegten Wertgutachten entspreche, dafür, ...

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